Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost
viel Mühe? Er weiß, dass Kirsten irgendwann auftaucht, wenn er sich einfach zurücklehnt und wartet. Sie tauchen immer wieder auf, siehe Gerry Brandt. Es geht nicht bloß um die Diamanten. Es ist etwas Persönlicheres. Gerüchten zufolge hat Alexej seinen eigenen Bruder töten lassen, nachdem der die Familie entehrt hatte. Was würde er mit jemandem machen, der seine Tochter entführt hat?
Joe sitzt mir gegenüber und macht sich Notizen. Er erinnert mich an meinen ersten Lehrer auf der Grundschule, der ganz genau wusste, wie viele Bleistifte, Bücher und Pinsel im Lagerraum waren, aber mit einem Klecks Rasierschaum am Hals oder verschiedenfarbigen Socken in die Schule kam.
Julianne hat mich angerufen und mir das Versprechen abgenommen, ihn nicht selber nach Hause fahren zu lassen. Sein Parkinson wird schlimmer, wenn er müde ist. Danach hat sie mit Joe geredet und ihm gesagt, er soll auf mich aufpassen.
Rachel fängt an, Becher einzusammeln und in die Küche zu tragen. Viel abzuwaschen gibt es nicht. Jean hat den ganzen Nachmittag über manisch geputzt.
Joe greift in die Tasche, zieht ein zerknittertes Blatt mit Notizen hervor und streicht es auf seinem Oberschenkel glatt. »Ich habe nachgedacht.«
»Gut.«
»Lassen Sie uns die Frage der Entführung für einen Moment vergessen und uns nur auf die Lösegeldforderung konzentrieren. Betrachtet man die Briefe, gibt es keinerlei Anzeichen für psychische Labilität oder Zwanghaftigkeit. Sie haben eine riesige Summe gefordert, aber für jemanden wie Alexej oder sogar Sir Douglas war das durchaus im Rahmen des Machbaren. Das Geld jedenfalls war das Risiko wert.«
»Wir wissen, dass mindestens drei Personen an der Sache beteiligt waren. Kirsten hat das Ganze vermutlich geplant. Ray Murphy war zuständig für die Logistik. Kirsten ist überdurchschnittlich intelligent. Alles deutet auf Sorgfalt und gründliche Planung hin. Sie muss die Päckchen getestet haben, um die genauen Maße anzugeben. Sie war sich bewusst, dass man das Lösegeld mit Ortungsgeräten ausstatten würde, kriminaltechnische Untersuchungen …«
Die Gedanken des Professors fliegen. Es ist nicht das erste Mal, dass ich ihm dabei zusehe, wie er in den Kopf eines anderen Menschen kriecht, bis er weiß, was dieser Mensch weiß, und
empfindet, wie dieser empfindet. Wenn Leute sich mit einem komplexen Problem konfrontiert sehen, erwägen sie häufig nur eine begrenzte Anzahl von Optionen und Szenarien. Wenn es zu viele Unbekannte gibt, reagieren sie verwirrt. Deswegen planen die meisten Menschen immer nur bis zu einem bestimmten Punkt. Manchmal vergessen sie eine Strategie für den Abgang, weil sie ein Scheitern nicht in Betracht ziehen.
»Wer auch immer diesen Plan konzipiert hat, hat an alles gedacht, es aber zu kompliziert gemacht. Überlegen Sie, was alles klappen musste. Die Verpackung des Lösegelds musste perfekt sein, die Kontrolle über den Kurier, der Transport des Lösegelds zum Regenwasserabfluss, die Detonation der Sprengkörper, um die Überflutung auszulösen … Wenn eins davon nicht geklappt hätte, wäre der Plan gescheitert.«
»Vielleicht haben sie das System vorher getestet. Die Stimme am Telefon hat zu Rachel gesagt: ›Machen wir es noch mal.‹«
Joe ist nicht überzeugt. »Das ist eine Operation, die man nur einmal vermasselt. Wenn man eine zweite Chance bekäme, würde man es einfacher machen.«
Er läuft jetzt gestikulierend im Zimmer auf und ab. »Lassen Sie uns nur für einen Moment davon ausgehen, dass sie das Mädchen entführt haben. Sie haben sie unter die Erde gebracht, und genauso haben sie auch das Lösegeld kassiert. Dann brauchten sie einen Ort, um sie zu verstecken, und den hat aller Wahrscheinlichkeit nach Ray Murphy ausgesucht.«
»Nicht in den Abwasserkanälen. Das ist zu gefährlich.«
»Aber wenn sie das Mädchen da rausgebracht hätten, wären sie Gefahr gelaufen, dass irgendjemand es erkennt.«
»Sie glauben, dass man sie unter der Erde gefangen gehalten hat.«
»Es ist einen Gedanken wert.«
Es gibt jemanden, den ich fragen kann – Wettermann Pete. Ich gucke auf meine Uhr. Ich rufe ihn in ein paar Stunden an.
»Was ist mit Gerry Brandt?«, fragt Joe.
»Er hat einen Pass und einen Führerschein auf den Namen Peter Brannigan. Zu verschwinden und sich eine neue Identität zu besorgen kostet viel Geld – selbst in einem Land wie Thailand. Man braucht Beziehungen.«
»Denken Sie an Drogen?«
»Vielleicht. Laut Auslandsauskunft gibt es in Phuket
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