Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost
ausgegangen. Bis auf Joe und Rachel, die immer noch fleißig arbeiten, sind alle Freiwilligen gegangen. Eine große Korkpinnwand im Wartezimmer ist mit Notizen und Nachrichten tapeziert. Unter dem Fenster sind fünf Aktenordner aufgestellt, die als provisorisches Regal für die restliche Pizza und die Wasserflaschen dienen.
Rachel ist immer noch am Telefon.
»Hallo, ist dort das St. Catherine’s Hospital? Tut mir Leid, dass ich noch so spät anrufe. Ich suche eine Freundin, sie wird vermisst. Kirsten Fitzroy. Sie ist fünfunddreißig, hat braune Haare, grüne Augen und ein Muttermal am Hals.«
Rachel wartet. »Okay, vielleicht ist sie jetzt nicht mehr dort, aber möglicherweise hat sie in den letzten Wochen ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Sie sind eine Klinik. Könnten Sie vielleicht in Ihren Akten nachsehen? Ja, ich weiß, dass es spät ist, aber es ist sehr wichtig.« Sie weigert sich, den Kampf verloren zu geben. »Eigentlich handelt es sich um meine Schwester. Meine Eltern sind ganz krank vor Sorge. Wir glauben, dass sie sich vielleicht etwas angetan haben könnte …«
Sie wartet erneut. »Keine Unterlagen. Okay. Vielen Dank. Und entschuldigen Sie die Umstände, die ich Ihnen gemacht habe.«
Sie haben alle hart gearbeitet. Roger und Dicko haben eine Magical Mystery Tour durch den Londoner Unterleib unternommen und sind bei ihrer Suche nach Gerry Brandt durch Spelunken, illegale Spielcasinos und Stripteaselokale gezogen. In der Zwischenzeit stellte Margaret geniales Talent unter Beweis, als es Fluglinien, Fähren und Bahngesellschaften ihre Passagierlisten zu entlocken galt. Bisher haben wir festgestellt, dass Kirsten das Land nicht mit einem regulären öffentlichen Verkehrsmittel verlassen hat.
Die großen Londoner Krankenhäuser und Notfallambulanzen haben keine Unterlagen über eine Frau, die in der Woche nach der Lösegeldübergabe wegen einer Schusswunde behandelt wurde.
Wir wissen mehr über Kirsten als vor sechs Stunden. Sie wurde 1972 als Tochter eines Briefträgers und einer Aushilfslehrerin in Exeter geboren. Ihre beiden Brüder leben noch in Devon. 1984 bekam sie ein Stipendium für die Sherborne School in Dorset, eine Mädchenschule, wo sie vor allem in Kunst und Geschichte herausragende Leistungen zeigte. Eine ihrer Skulpturen wurde auf der Sommerausstellung der Royal Academy in London gezeigt. Im Jahr vor ihrem Abschluss ging sie zusammen mit zwei anderen Schülerinnen unter ungeklärten Umständen von der Schule ab. Es war von Drogen die Rede, aktenkundig wurde das jedoch nicht.
Ein Jahr später machte Kirsten ihr Abitur und bekam ein Stipendium für Geschichte und Kunstgeschichte an der Bristol University. Nach diversen Anlaufschwierigkeiten machte sie 1995 ein Einserexamen. Im selben Jahr wurde sie vom Tatler bei einem Polospiel in Windsor fotografiert, an der Seite des Sohnes eines saudiarabischen Ministers. Danach schien sie untergetaucht zu sein, um acht Jahre später als Geschäftsführerin einer Zeitarbeitsagentur wieder aufzutauchen.
»Ich habe mit ein paar Leuten von Sotheby’s gesprochen«, sagt Rachel. »Kirsten war den Händlern und dem Verkaufspersonal
wohlbekannt. Sie trug bei Auktionen immer schwarz und hatte ständig ein Handy am Ohr.«
»Sie hat für jemanden geboten?«
»Vor vier Monaten hat sie für einhundertsiebzigtausend Pfund ein Aquarell von Turner ersteigert.«
»Wer war der Käufer?«
»Das wollte man mir bei Sotheby’s nicht sagen. Aber man hat mir ein Foto von dem Bild gefaxt. Ich habe es im Arbeitszimmer meines Vaters hängen sehen.«
Ihre Augen wirken unnatürlich groß, ihr Blick zuckt gehetzt zwischen Joe und mir hin und her. Ihre Gedanken rasen in furchterregender Geschwindigkeit, ihr ganzer Körper vibriert.
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie das getan hat. Sie hat Mickey geliebt.«
»Was haben Sie jetzt vor?«
»Meinen Vater fragen?«
»Wird er Ihnen die Wahrheit sagen?«
»Es gibt immer ein erstes Mal.«
Joes Arm zuckt, als er nach einer Flasche Wasser greift. »Wir hängen weit hinterher. Kirstens Freunde und Verwandte sind längst kontaktiert worden. Einige wurden bedroht. Einer von Kirstens Brüdern wurde bewusstlos geschlagen, eine Stunde nachdem er einem Mann die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte. Er hatte behauptet, ein Schuldeneintreiber zu sein.«
»Glauben Sie, dass ihre Familie weiß, wo sie ist?«
»Nein.«
Rachel nickt. »Kirsten würde sie nicht in Gefahr bringen.«
Warum macht sich Alexej so
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