Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost
Eltern entschuldigen«, sagt sie. »Und ich sollte Sie vor den Fragen warnen.«
»Fragen?«
»Meine Mutter ist sehr neugierig.«
»Das hab ich gehört«, ruft eine Stimme aus dem Flur.
»Außerdem hat sie Ohren wie eine Fledermaus«, flüstert Ali.
»Das hab ich auch gehört.« Mrs. Barba taucht wieder auf. »Ich bin sicher, dass Sie nicht so mit Ihrer Mutter reden, Inspector. «
Ich spüre einen Stich. »Sie lebt in einem Altersheim.«
»Und ich bin sicher, es ist ein sehr nettes.«
Bedeutet das, ein teures?
Mrs. Barba legt ihre Arme um Alis Hüfte. »Meine Tochter glaubt, ich spioniere ihr nach, bloß weil ich ein Mal die Woche ihre Wohnung sauber mache.«
»Es ist nicht nötig, dass du bei mir putzt.«
»Oh doch! Wenn du Königin bist und ich auch Königin bin, wer holt dann das Wasser?«
Ali verdreht die Augen. Mrs. Barba richtet die nächste Frage direkt an mich. »Haben Sie Kinder, Inspector?«
»Zwei.«
»Sie sind geschieden, nicht wahr?«
»Zwei Mal. Aller guten Dinge sind drei. Ich arbeite dran.«
»Das ist schade. Treffen Sie Ihre Frau noch?«
»Meistens verfehle ich sie, aber ich ziele jedes Mal besser.«
Sie lächelt nicht, sondern stellt mir eine Tasse frischen Tee hin. »Warum haben Ihre Ehen nicht funktioniert?«
Ali sieht sie entsetzt an. »Solche Fragen stellt man nicht, Mama!«
»Ist schon in Ordnung«, sage ich. »Nur weiß ich die Antwort selbst nicht so genau.«
»Warum nicht? Meine Tochter sagt, dass sie sehr schlau sind.«
»Nicht in Herzensangelegenheiten.«
»Es ist nicht schwer, eine Ehefrau zu lieben.«
»Ich konnte sie lieben, ich konnte sie nur nicht festhalten.«
Ohne recht zu wissen, wie mir geschieht, erzähle ich ihr, dass Laura, meine erste Frau, mit achtunddreißig an Brustkrebs gestorben ist, und dass Jessie, meine zweite Frau, mich verlassen hat, als ihr klar wurde, dass eine Ehe etwas anderes ist als eine Wochenendbeziehung. Jetzt dreht sie in Argentinien einen Dokumentarfilm über Polo und vögelt höchstwahrscheinlich mit einem von den Spielern. Und meine Nochehefrau Miranda hat ihre Koffer gepackt, weil ich mehr Zeit im Büro verbracht habe als zu Hause. Es klingt wie eine Seifenoper.
Laura hätte meine Jugendliebe sein sollen, dann hätte ich sie länger gekannt als fünfzehn Jahre. Wir hatten mehr verdient. Sie hatte mehr verdient.
Eins führt zum anderen, und bald rede ich über die Zwillinge – über Claire, die in New York tanzt und so deformierte Zehen hat, dass ich jedes Mal, wenn ich das sehe, die gesamte Belegschaft des New York City Ballet verhaften möchte; und über
Michael, der auf gecharterten Yachten in der Karibik anheuert, zumindest als ich zum letzten Mal von ihm gehört habe.
Mrs. Barba hört die Melancholie in meiner Stimme.
»Sie sehen sie nicht oft.«
»Nein.«
Sie schüttelt den Kopf, und ich erwarte eine Vorlesung über väterliche Verantwortung. Stattdessen gießt sie eine weitere Tasse Tee ein und fängt an, von ihren Kindern und ihrem Glauben zu sprechen. Sie kennt keine Unterschiede zwischen Rassen, Geschlechtern und Religionen. Menschlichkeit ist überall gleich, nur nicht in Ländern, in denen ein Leben wenig zählt und der Hass Gehör findet.
Als wir draußen sind, entschuldigt Ali sich noch einmal für ihre Mutter.
»Ich fand sie sehr nett.«
»Sie macht mich wahnsinnig.«
»Wollen wir tauschen?«
Nach gestern Abend haben wir jetzt ein anderes Auto. Ali hat sich einen Wagen von einem ihrer Brüder geliehen. Das ist Teil ihrer Ausbildung – nie zwei Tage hintereinander dasselbe Fahrzeug oder dieselbe Route benutzen. Leute verbringen Jahre damit, diesen Kram zu lernen. Ich frage mich, was danach mit ihnen geschieht. Haben sie Angst vor der Welt, wie Mickey Carlyle?
Als wir uns einen Weg durch den dichten Verkehr auf der Edgware Road Richtung Norden bahnen, bin ich höchst angespannt. Heute könnte die Ungewissheit enden. Sobald ich Rachel gefunden habe, wird sie mir erzählen, was passiert ist. Vielleicht erinnere ich mich nicht mehr daran, aber ich werde es wissen.
Wir unterqueren eine Eisenbahnbrücke und biegen rechts ab in ein Gewerbegebiet mit Autoreparaturwerkstätten, Schrottplätzen, Schuppen von Lackierern und Metallwerkern. Tauben picken an den Mülltonnen hinter einem Café herum.
Die Straße endet auf einer Brachfläche mit verrosteten Tonnen, zerbrochenen Kaminaufsätzen, Zaunpfählen und Planen. Ein verlassener, verbeulter Gefrierschrank erhebt sich aus dem Unkraut.
»Hier hat man Rachel
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