Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost
Leuten besteht, die sich von Frömmigkeit und Vernunft leiten lassen. Gute Erziehung hingegen ist ein Fluch.«
»Wo ist sie?«
Er trinkt einen Schluck Limonade und sieht Tottie an. Warum habe ich das Gefühl, dass ich gleich einen Haufen Blödsinn aufgetischt bekomme?
»Vielleicht solltest du auch reingehen, Schatz«, wendet er sich an Tottie. »Sag Thomas, dass er die Sachen hier abräumen kann.«
Thomas ist der Butler.
Tottie steht auf, streckt ihre langen Beine und gibt ihm einen Kuss auf die Wange. »Lass dich nicht ärgern, Schatz.«
Sir Douglas weist auf die Stühle und zieht Alis Stuhl zurück.
»Wissen Sie, was das Schwerste am Vatersein ist, Inspector? Den Kindern zu helfen, nicht die gleichen Fehler zu machen wie man selber. Man will sie führen. Man will, dass sie bestimmte Entscheidungen treffen, bestimmte Leute heiraten, an bestimmte Sachen glauben, aber man kann sie nicht auf diesen Weg bringen. Sie entscheiden für sich selbst. Meine Tochter hat sich entschieden, einen Gangster und Psychopathen zu heiraten. Ich weiß, dass sie das auch getan hat, um mich zu bestrafen. Ich wusste, was für ein Mann Alexej Kuznet ist. Es ist in ihm drin. Wie der Vater, so der Sohn.«
Sir Douglas schiebt seinen Schläger in eine Sporttasche. »Es ist seltsam, aber Alexej hat mir wirklich Leid getan. Nur ein unschuldiger
Millionär hätte Rachel zufrieden stellen können, aber so man nicht im Lotto gewinnt oder einen vergrabenen Schatz findet, gibt es so etwas nicht.«
Ich weiß nicht, worauf er hinauswill, versuche aber die Verzweiflung in meiner Stimme zu unterdrücken. »Sagen Sie mir einfach, wo Rachel ist.«
Er ignoriert meine Bitte. »Menschen, die sich entscheiden, keine Kinder zu bekommen, haben mir immer Leid getan. Sie verpassen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein und Liebe in all ihren Formen zu erleben.«
Sein Blick hat sich verschleiert. »Ich war kein besonders konsequenter Vater, und ich war auch nicht objektiv. Ich wollte stolz auf Rachel sein, statt zu begreifen, dass ich schon immer stolz hätte sein müssen.«
»Wie geht es ihr?«
»Sie erholt sich langsam.«
»Ich muss mit ihr reden.«
»Ich fürchte, das ist nicht möglich.«
»Sie verstehen nicht… es gab eine Lösegeldforderung. Rachel hat geglaubt, dass Mickey noch lebt. Wir haben es beide geglaubt. Ich muss herausfinden, warum.«
»Handelt es sich um eine offizielle Ermittlung, Detective?«
»Es muss einen Beweis gegeben haben. Es muss irgendein Indiz gegeben haben, das uns überzeugt hat.«
»Neulich hat mich Chief Superintendent Campbell angerufen. Ich kenne ihn nicht besonders gut, aber er scheint ein durchaus beeindruckender Mann zu sein. Er hat mich vorgewarnt, dass Sie versuchen könnten, Kontakt mit Rachel aufzunehmen.«
Er sieht mich jetzt nicht mehr an. Er könnte genauso gut mit den Bäumen reden. »Meine Tochter hat einen Zusammenbruch erlitten. Ein paar sehr gefühllose und grausame Menschen haben ihre Trauer benutzt. Sie hat kaum ein Wort gesprochen, seit man sie gefunden hat.«
»Ich brauche ihre Hilfe…«
Er hebt die Hand. »Ärztlichem Rat zufolge darf sie sich auf keinen Fall aufregen.«
»Menschen sind umgekommen. Ein schweres Verbrechen wurde begangen …«
»Ja, so ist es. Aber jetzt ist etwas Gutes passiert. Meine Tochter ist nach Hause zurückgekommen, und ich werde sie beschützen. Ich werde dafür sorgen, dass ihr nie wieder jemand wehtut.«
Er meint es ernst. In seinen Augen glänzt reine, ungebrochene, idiotische Entschlossenheit. Die gesamte Unterhaltung hatte rituellen Charakter. Es würde mich nicht überraschen, wenn er sagte: »Vielleicht nächstes Mal.« So als wäre nichts einfacher und nahe liegender, als an einem anderen Tag wiederzukommen.
Warme, schmelzende Wellen der Furcht durchströmen mich. Ich kann nicht gehen, ohne mit Rachel gesprochen zu haben; zu viel steht auf dem Spiel.
»Weiß Rachel, dass Sie vor Mickeys Verschwinden das Sorgerecht für ihre Enkelin beantragt haben?«
Sein Gesicht zuckt. »Meine Tochter war Alkoholikerin, Inspector. Wir haben uns Sorgen um Michaela gemacht. Einmal ist Rachel im Bad hingefallen, und meine Enkelin hat die ganze Nacht neben ihr auf dem Boden gelegen.«
»Woher wussten Sie das?«
Er antwortet nicht.
»Sie haben sie bespitzeln lassen.«
Wieder schweigt er. Ich wusste von Anfang an von dem Sorgerechtsantrag. Wenn die Sache mit Howard nicht so überzeugend gewesen wäre, hätte ich in dieser Richtung weiterermittelt und Sir Douglas mit
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