Amnion 2: Verbotenes Wissen
Wutentbrannt warf Nick ihr einen Blick zu, der zur Folge hatte, daß sie in ihrem Sessel einzuschrumpfen schien. »Ruhe!« brüllte er, so daß es einem Peitschenknall glich.
Genauso plötzlich nahm er wieder seine Haltung gefaßter Erwartung ein.
Morn hatte plötzlich den Eindruck, als ob rings um sie die Brücke kollabierte, in Nick hineinsänke, als wäre er ein Schwarzes Loch.
Unvermittelt drang ein neuer Funkspruch aus den Lautsprechern; sie dröhnten dermaßen, als hätte Scorz versehentlich die Lautstärke überhöht. Mit einem Ruck straffte sich Nick, balancierte auf den Ballen der Füße, hielt die Hände wie bereit zum Zuschlagen.
»Station Potential an vorgeblichen Human-Kapitän Nick Succorso«, sagte die Stimme des Amnioni, »Ihr Vorschlag ist akzeptabel. Durch wechselseitige Erfüllung der Ansprüche kann die Harmonisierung der Zwecke erlangt werden. Wir fordern Ihr unverzügliches Einverständnis mit der Vereinbarung.«
Nick schwang die Faust, als verpaßte er der Luft einen Kinnhaken; seine Zähne blitzten wie bei einem Raubtier. Laut und deutlich wiederholte er die Redewendungen in ähnlicher Form.
»Die Vereinbarung ist akzeptabel. Die Harmonisierung der Zwecke kann durch wechselseitige Erfüllung der Ansprüche bewirkt werden.«
Dann griff er an die Kommunikatoren-Kontrollkonsole und deaktivierte den Sender.
»Und schon haben wir dich übern Tisch gezogen, du häßliche Qualle«, rief er voller Triumph, fuchtelte mit den Fäusten, als boxte er mit dem Amnioni.
Nur die Umrisse des Zonenimplantat-Kontrollgeräts in ihrer Tasche gaben Morn noch Mut, verhinderten als einziges, daß ihr ein Wimmern entfuhr.
Station Potential schwebte inzwischen in Reichweite der Optiken, doch jetzt fehlte es Morn an der Zeit, um sie zu betrachten. Nahezu zwei Stunden hindurch hatte sie damit zu tun, dem jedem Suizid abgeneigten Vector Informationen zuzuleiten und Karster, der zuwenig über seine Kontrollkonsole wußte, um einen adäquaten Stapelbefehl zustande zu bringen, hilfreiche Anregungen zu geben. Danach erhielt die Käptens Liebchen von der Station Instruktionen für den Anlegevorgang. Das machte eine Datenanalyse erforderlich, um den Umfang der Kompatibilität zwischen den Anlegevorrichtungen des Raumschiffs und den Verankerungsmechanismen der Station zu ermitteln.
Folglich war Morn zu beschäftigt, um in Panik zu geraten oder noch mehr Fragen zu stellen.
Bis zum Anlegen blieb noch eine halbstündige Frist, als Nick schließlich Alba Parmute auf die Brücke beorderte und Morn anwies, die Datensysteme-Kontrollkonsole ihr zu überlassen.
Als Morn sich aus dem Andrucksessel erhob, schob sie sofort beide Hände in die Taschen, um Nick zu verheimlichen, wie sie zitterten.
»Gib Mikka deine Id-Plakette«, befahl Nick. »Ich will nicht, daß man auf Potential merkt, es besteht ’ne Gelegenheit, sich ’ne VMKP-Polypin zu greifen. Normalerweise bescheißen die Amnion niemanden, aber bei so was könnten sie glatt der Versuchung erliegen, mal ’ne Ausnahme zu machen.«
Es ging Morn gegen den Strich, ihre Id-Plakette abzuliefern. Allerdings konnte sie nicht leugnen, daß Nick recht hatte. Und die Zeit, in der sie sich gegen seine Absichten hätte wehren können, war längst vorbei; die Vergangenheit ruhte jenseits des Hyperspatiums.
Sie zog sich die Kette vom Hals und händigte die Id-Plakette der Ersten Offizierin aus.
Nick forderte Morn mit einer Geste auf, ihn von der Brücke zu begleiten.
»Was nun?« fragte sie und verkrampfte die Kiefer, um ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen.
»Wir treffen uns bei den Anzugschränken«, antwortete Nick in munterem Ton. »Die Amnion-Luft ist atembar – wenigstens einigermaßen –, aber wir führen diese Exkursion wie EA durch. Dann haben wir zusätzlichen Schutz. Solange wir Anzüge tragen, können sie uns nicht durch Tricks oder Gewalt Mutagene unterjubeln. Und per Helmfunk läßt Mikka sich überall auf Potential erreichen.«
Er entfernte sich, ehe Morn etwas entgegnen konnte.
Fast wäre sie ihm nachgelaufen; sie mochte nicht allein sein, nicht gerade jetzt, während eine neue Krisensituation bevorstand und sie keine Ahnung hatte, wie weit sie irgendwem trauen durfte. Immerhin jedoch gewährte der Gedanke ans Tragen eines EA-Anzugs ihr einen gewissen Trost. Sie freute sich über die Aussicht, ihre eigene Atmosphäre mitzunehmen; war froh darüber, eine undurchlässige Schicht aus Mylar und Plexulose zwischen ihrer Haut und allem Amnionischen haben
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