Amnion 2: Verbotenes Wissen
den Steueranlagen-Hauptoperator aus ihrem Stupor. Morns Hände bebten; sie stellte das Tablett ab, damit es ihr nicht entfiel.
Nick schloß die Lider und wartete auf die bevorstehende Mitteilung.
»Sie begehen einen Vertragsverstoß und setzen sich einer erheblichen Gefährdung aus. Sie ersuchen um ›Beistand in einer heiklen medizinischen Angelegenheit‹. Wir bieten Ihnen Zuflucht an. Wir bieten die Vereinigung mit den Amnion an. Dadurch können konstatierte Realität und vorgebliche Identität in Übereinstimmung gebracht werden. Dann entfallen Gefährdung und Schwierigkeiten. Antworten Sie.«
›Zuflucht‹. ›Vereinigung‹. ›In Übereinstimmung gebracht‹. Morn schob die Hände in die Taschen, um ihr Zittern zu unterbinden; sie klammerte zur Beruhigung die Finger um die Umrisse ihres schwarzen Kästchens. Man bot der Käptens Liebchen Mutagene an, die unter das Menschsein ihrer Besatzung einen Schlußstrich zögen.
Nick öffnete die Augen nicht. »Schreibe folgenden Text, Lind.« Nicht einmal aus seiner Stimme hörte man Besorgnis. »›Kapitän Nick Succorso an Station Potential. Bremsmanöver strapazieren das menschliche Gewebe. Wir benötigen eine Ruhepause. Sie erhalten die Antwort auf Ihren Vorschlag in dreißig Minuten.‹ Dann funk ihn ihnen zu.«
Während Lind gehorchte, erhob Nick sich aus dem Andrucksessel und versuchte, sich durch Recken und Strecken von seinen Muskelbeschwerden zu befreien.
Nach und nach fand Mikkas Schicht sich auf der Brücke ein. Malda Verone überließ die Zielerfassung/Waffenbedienung unverzüglich der Ablösung und ging. Scorz, ein fleischiger Mann mit hartnäckiger Akne, übernahm Linds Platz. Auf Nicks Geheiß übergab Sib den Datensysteme-Platz Morn; vorerst brauchte die Käptens Liebchen nicht mehr mit Hoch-G fliegen, also bedeutete Morn keine Gefahr.
Vector Shaheed blieb, wo er saß.
Der Steueranlagen-Hauptoperator ließ seine Zweitoperatorin sich in den Andrucksessel schwingen, eine ständig zuckende Frau namens Ransum, die keine ruhigen Hände hatte und infolgedessen zu etwas ruckartigen Manövern tendierte. Auch Carmel machte den Sessel für ihre Ablösung frei. Aber weder entfernte sie sich von der Brücke noch der Steueranlagen-Hauptoperator.
»Nick«, sagte Carmel unverblümt, »ich möchte wissen, was du vorhast.«
Angesichts dieser Forderung hob Nick die Brauen, als wüßte er nicht, ob er beleidigt sein sollte oder ob Gekränktsein sich nicht lohnte.
»Ich weiß, daß ich Schlaf brauche«, erklärte Carmel, »aber ich will nicht, daß irgend etwas Entscheidendes hinter meinem Rücken geschieht.«
Nick zeigte ihr ein Musterbeispiel seines gewohnten, maliziösen Grinsens. »Zu dumm, daß du’s verpennst. Aber dann haben Morn und ich den ganzen Spaß für uns allein. Ich habe vor, ein Geschäft durchzuziehen. Mikka, Vector und ich werden das Nötige tun, um uns rückzuversichern. Nach dem Anlegen statten Morn und ich der Station einen Besuch ab. Wenn wir zurückkehren, haben wir ’n Kind dabei, und genug Kredit eingestrichen, um den Ponton-Antrieb reparieren zu lassen. Außer jemand baut Scheiße. In dem Fall wirst du wieder im Dienst sein, weil’s um unser Leben geht und wir schleunigst das Weite suchen müssen.«
Zufrieden nickte Carmel. »Komm«, sagte sie zum Steueranlagen-Hauptoperator. »Du bist noch übler dran als ich.« Sie faßte ihn am Arm und zog ihn mit sich zum Kommandomodul hinaus.
Nick trank den Rest seines Kaffees und wies Mikka mit einem Wink in den Kapitänssessel.
»Routinemäßiger Einflug«, informierte Mikka ihre Schicht, indem sie sich an Nicks Kontrollpult setzte. »Keine Besonderheiten. Die Amnion haben Instruktionen gefunkt. Wir verfahren danach. Karster, Gerüchte besagen« – Karster, ein wortkarger Mann in der Körpergröße und mit den unfertigen Gesichtszügen eines Jungen, war der Zweitoperator für Zielerfassung und Waffenbedienung – »die Amnion hätten Detektoren für Waffensysteme, sogar für den Waffenstatus, die über unerhörte Entfernungen hinweg wirksam sein sollen. Deshalb deaktivieren wir alles. Adjustiere deine Schaltungen so, daß ein Tastendruck genügt, um alle Waffen wieder in Betrieb zu nehmen. Ich will, daß wir im Notfall so schnell wie möglich gefechtsbereit sind.«
Ohne ein Wort machte Karster sich an die Arbeit.
Um sich von ihrer Angespanntheit abzulenken, tippte Morn an der Datensysteme-Kontrollkonsole herum, sammelte in ihren Speichern Informationen des Scannings, der Steuerung und
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