Amnion 2: Verbotenes Wissen
vorwiegend allerdings Ressourcen, bewohnbaren Himmelskörpern und Hinweisen auf Leben. Doch weil bis dahin nie irgend jemand Anzeichen irgendwelchen Lebens ausfindig gemacht hatte, galt die Aufmerksamkeit hauptsächlich profaneren Angelegenheiten. Aber nach der Entdeckung des Satelliten wiederum ließ man die profanen Dinge gänzlich außer acht. Das Forschungsraumschiff blieb so lang in dem Sonnensystem, bis unzweifelhaft feststand, daß der Satellit keine lokale Herkunft hatte; dann flog es per Hyperspatium-Durchquerung zurück zur Erde.
Die Rückkunft hatte durchaus hinreichende wissenschaftliche, ökonomische und kulturelle Nachwirkungen zur Folge, um als ›Erstkontakt‹ eingestuft werden zu können. Man unternahm an Bord der Fernpilger keinerlei Versuche zum Öffnen oder Untersuchen des Satelliten: Dafür fehlte es an den Mitteln. Statt dessen transportierte man das fremde Objekt in einem sterilisierten Laderaum zur Erde, in dem es blieb, bis die Intertech-Filiale auf Weltraumstation Hoher Auslug für Untersuchungszwecke ein keimfreies Laboratorium einrichtete. Erst dann traute man sich – so vorsichtig, wie man sich nur darauf verstand – ans Öffnen des Satelliten.
Wie sich zeigte, enthielt er einen kleinen Kryogenik-Behälter, in dem sich wiederum ein Kilo eines mutagenen Materials befand, das den Versuch der Amnion darstellte – was damals jedoch niemand wußte –, andere Lebensformen der Galaxis zu kontaktieren.
Die im Eiltempo betriebenen Untersuchungen des Mutagenmaterials dauerten drei Jahre, bevor man Kapitän Vertigus von der Komet mit seinem Auftrag betraute.
Daß es sich bei dem im Satelliten vorgefundenen Substanz um ein Mutagen handelte, stellte man beinahe routinemäßig fest. Der normale Verfahrensgang erforderte, daß Wissenschaftler jeder Couleur Tests aller Art an winzigen Proben der Substanz vornahmen. Natürlich resultierte die Mehrzahl der Tests in keinen für die Wissenschaftler deutbaren Ergebnissen. Doch weil die irdische Wissenschaft so arbeitete, wie sie stets arbeitete, gehörte es schließlich auch zu den Tests, eine Probe der Substanz einer Ratte zu füttern.
Innerhalb von zwanzig Stunden veränderte sich das Äußere der Ratte: Sie wandelte sich in etwas Ähnliches wie einen beweglichen Klumpen Seetang um.
In der Folge fütterte man jede Menge Ratten mit der Substanz. Etliche tötete man danach und sezierte sie. Die Pathologie enthüllte, daß sie einer wesentlichen Transformation unterzogen worden waren: Ihre grundsätzlichen Lebensprozesse waren intakt geblieben, doch alles an ihnen – von der RNS über die Natur ihrer Proteine bis hin zu den Enzymen – hatte sich verändert. Andere verwandelte Ratten vermehrten sich erfolgreich, ein Vorgang, der bewies, daß die Veränderungen sowohl stabilen wie auch vererbungsfähigen Charakter hatten. Wieder andere mußten die normalerweise für Ratten vorgesehenen Verhaltenstests mitmachen; die ebenso unanzweifelbaren wie beunruhigenden Resultate dieser Tests ergaben, daß die Mutation einen signifikanten Zuwachs an Intelligenz erzeugte.
Daraufhin ging man zu Experimenten an höheren Tieren über: Katzen, Hunden, Schimpansen. Samt und sonders veränderten sie sich so dramatisch, daß man sie nicht wiedererkannte. Trotzdem blieben alle in biologisch stabilem und fortpflanzungsfähigem Zustand. Alle lebten mit einem Grundstock einander verwandter Enzyme und RNS weiter, der jedoch von allem abwich, was sich je auf der Erde entwickelt hatte.
Und alle zeigten sie einen gewissen Grad erhöhter Intelligenz.
Zu diesem Zeitpunkt gierte die Intertech als profit- und gewinnorientiertes Unternehmen praktisch nach konkret verwertbaren Durchbrüchen der Experimente. Könnte man das Mutagen zu seinem Ursprungsort zurückverfolgen, stünde man vor einem unermeßlichen Potential neuer Entdeckungen und künftiger Gewinne. Theoretiker inner- und außerhalb der Firma waren sich soweit einig, daß der Satellit konstruiert worden sein mußte, um eines von zwei Vorhaben zu realisieren: Kommunikation oder Propagation. Indessen hatte die Propagationstheorie eine offenkundige Schwäche: Die mutierten Ratten, Katzen, Hunde und Schimpansen vermehrten sich nicht untereinander, sondern behielten ihre artspezifische Differenzierung bei. Auf ihre, wenn wohl auch abwegige Weise respektierten die Alien-Eierköpfe, die das Mutagen ausgeheckt hatten, die Originalformen der Testtiere. Oder ihre biochemischen Techniken waren der Herausforderung nicht gewachsen,
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