Amnion 2: Verbotenes Wissen
sie ganz allmählich ins Bewußtsein zurück.
Das Wachwerden schien sehr lange zu dauern. Unter der Gewalt sowohl des Z-Implantats wie auch der Alien-Medikamente gelang es ihr nicht, sich aus eigener Kraft zu völliger Wachheit emporzuringen. Nach und nach bemerkte sie das dumpfe Ziehen in ihrem Unterleib, im Becken – die durch ein starkes Analgetikum gedämpften Folgebeschwerden des Gebarens. Sie spürte die Dehnung ihres Leibs; die Elastizität der Bauchmuskulatur war überbeansprucht worden. Aber diese Beobachtungen genügten nicht, um ihre Aufmerksamkeit zu sammeln; nicht einmal darauf konnte sie sich konzentrieren.
Dennoch überwand ihr Körper den Betäubungszustand immer mehr. Schließlich merkte sie, daß sie Nicks Stimme hörte.
»Morn«, drängte er sie, »wach auf! Du hast gesagt, daß du dich nicht fürchtest. Jetzt kannst du’s beweisen. Komm zu dir!«
Ein Teil ihrer selbst gewahrte seinen Zorn, erkannte an seinem Ton, daß er mörderische Wut hatte. Sie fühlte, wie er sie an den Schultern rüttelte, daß sie es bis ins Herz spürte. Sie erinnerte sich daran, daß sie ihn haßte.
»Diese Schleimbeutel haben uns geleimt. Sie haben irgend etwas mit ihm angestellt.«
Er erlitt einen Hustenanfall.
Ein anderer Bestandteil ihres Ichs, ein separater Abschnitt ihres Wesens, begriff gleichzeitig, daß sie nicht dazu imstande hätte sein dürfen, ihn zu hören. Er trug einen EA-Anzug, sie dagegen nicht, also war sie vom Helmfunk getrennt. Trotzdem war es nicht seine Stimme – und nicht sein Husten –, das endlich ihre Aufmerksamkeit weckte.
Sie haben irgend etwas mit ihm angestellt.
Ihm. Wem?
Wie durch eine flüchtige Lücke in einem Rauchschleier fiel ihr – wie ein vergänglicher Lichtschein – die Antwort ein.
Davies. Ihrem Sohn.
Die Amnion hatten ihrem Sohn etwas angetan.
Sie lag reglos da, als wäre sie taub; als wüßte sie keinen Rat. Keinerlei Äußerlichkeiten zeigten an, daß sie innerlich genug Kraft zu finden versuchte, um wenigstens die Lider aufschlagen zu können.
Sie hatte den Eindruck, daß Nick sich aus ihrer Nähe entfernte. »Sie haben uns beschissen, Sie elender Drecksack.« Seine Stimme sprach jetzt in eine andere Richtung. »Irgend was ist doch an ihm verbrochen worden.«
An Davies Hyland. Ihrem Sohn. Dem Grund, aus dem sie sich hier aufhielt; der Ursache ihrer Kapitulation.
Eine andere Stimme, die sie nicht hätte hören können dürfen, gab Nick Antwort. Anklänge spitzer Zahnreihen und schwefligen Lichts schwangen darin mit.
»Vorgeblicher Human-Kapitän Nick Succorso, Ihre Behauptung ist falsch. Die Amnion akzeptieren keine falschen Behauptungen. Sie beschuldigen uns der Falschheit im Handel. Es ist konstatierte Realität, daß die Amnion im Handel keine Falschheit verüben. Ihre eigenen Tests werden beweisen, daß der Nachfahre ein Mensch ist. Die genetische Identität steht in vollkommener Übereinstimmung mit der im Mutterleib vorhanden gewesenen genetischen Identität. Ihre Behauptung widerspricht der konstatierten Realität.«
Ein zweiter Hustenanfall brachte Nicks Lungen zum Japsen. »Weshalb sieht er dann so aus?« röchelte er, sobald er wieder sprechen konnte.
»Ihre Frage kann nicht beantwortet werden.« Man hätte meinen können, die Alienstimme deutete ein Achselzucken an. »Hat die Reifung des Nachfahren Mängel? Es sind keine ersichtlich. Tests offenbaren keinen genetischen Defekt. Falls Sie jedoch wünschen, daß der Nachfahre abgeändert wird, kann diese Leistung erbracht werden.«
»Sie Schweinsnase«, krächzte Nick, würgte fast. »Er sieht ja überhaupt nicht wie ich aus.«
»Vorgeblicher Human-Kapitän Nick Succorso«, erklärte die Alienstimme – vielleicht drückte sie dabei so etwas wie Amnion-Geduld aus –, »Ihre genetische Identität hat keine einzige Kongruenz mit der genetischen Identität des Nachfahren. Er ist nicht Ihr… Die Übersetzungsoptionen empfehlen den Terminus ›Sohn‹. Darum ist eine Ähnlichkeit unwahrscheinlich.«
Nicks Schweigen glich in seiner Beredtheit einem lauten Aufschrei.
Mit einer Mühseligkeit, als saugte es ihr das Mark aus den Knochen, so daß sie sich anschließend dermaßen schwach fühlte, als wäre sie aus Pappmache, öffnete Morn die Lider.
Im ersten Moment blendete die Flut schwefelgelben Lichts sie, das von der Decke herabstrahlte. Doch sobald die Augen offenstanden, zwinkerten sie von allein. Tränen rannen ihr an den Seiten des Gesichts hinunter, hinterließen zarte, feuchte Spuren, die
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