Amnion 2: Verbotenes Wissen
eine Fortpflanzung zwischen gewöhnlich unvermischbaren Spezies zu ermöglichen. So oder so eignete sich das Mutagen auf alle Fälle nicht zur Verbreitung seiner Erschaffer.
Trotzdem galt es im Rahmen jeder Theorie als gesicherte Tatsache, daß es irgendwo seine Herkunft haben mußte – und daß dieser Ursprung nicht bloß eine Quelle für mutierte irdische Lebensformen mit gesteigerter Intelligenz sein könnte, sondern gänzlich neuer Wissenschaftszweige, Ressourcen und Möglichkeiten.
Aber wie ließ der Satellit sich bis zu seinem Herkunftsort zurückverfolgen? Für einen ›Erstkontakt‹ mit außerirdischem Leben hatte das Objekt in dieser Hinsicht ausschließlich enttäuschende Eigenschaften. (Deshalb maß man später Sixten Vertigus und seinen Erlebnissen so hohe Bedeutung bei.) Mit Ausnahme seiner kryogenischen Mechanismen war darin nichts vorhanden, das man in diesem Zusammenhang hätte analysieren können: kein Antrieb, keine Datenaufzeichnungen, keine Kontrollsysteme, und schon gar nichts, was so willkommen gewesen wäre wie eine Sternenkarte.
Wenn der Satellit ein Kommunikationsmittel sein sollte, mußte seine Botschaft im Mutagen selbst verborgen sein.
Das war der Fall.
Als bei Intertech die riskante Entscheidung fiel, das Mutagen an einem Menschen zu erproben, veränderte man damit den Lauf der Menschheitsgeschichte.
Die Frau, die sich für das Experiment freiwillig meldete, hoffte wahrscheinlich auf Unsterblichkeit sowohl persönlicher wie auch wissenschaftlicher Art. Immerhin waren die übriggebliebenen Labortiere lebensfähig, robust und intelligent. Außerdem waren sie harmlos: Sie vermehrten sich, ohne das Mutagen weiterzuverbreiten. Sollte sich auch ihre Intelligenz, überlegte die Frau wohl, in vergleichbarem Maß erhöhen, konnte aus ihr sehr wohl das wichtigste Einzelindividuum werden, das die Menschheit je hervorgebracht hatte. Und vielleicht stieß sie die Tür zu ungeahnten Entdeckungen, Gelegenheiten und Reichtümern auf, die ihr andauernde Verehrung sichern könnten.
Unglücklicherweise überlebte sie nur anderthalb Tage lang.
Während dieser Zeitspanne veränderte sie sich, so wie die Tiere sich verwandelt hatten: Berichten von Augenzeugen zufolge wurde sie ›zu einem dreibeinigen Baum mit mehreren Gliedern und üppigem Laub‹.
Das einzige Zeichen ›erhöhter Intelligenz‹ zeigte sich jedoch darin, daß sie ungefähr eine Stunde vor ihrem Tod nach Papier kreischte. Sobald sie es hatte, kritzelte sie mehrere Minuten lang wild darauf herum.
Als sie zusammenbrach, bot man heldenmütige Anstrengungen auf, um sie zu retten. Es hatte alles keinen Zweck. Die gesamte medizinische Technik war unbrauchbar: Sie hatte für ihre neue körperliche Beschaffenheit keine Relevanz.
Eine Autopsie enthüllte, daß sie genetisch und biologisch eine Verwandte der mutierten Ratten und Schimpansen geworden war, ein Produkt derselben Welt, auf der ihre Verwandlung ihren Ausgang genommen hatte. Sie war von der RNS auswärts verändert worden. Allerdings blieb sie das einzige mutierte Lebewesen, das so schnell an einer ›natürlichen Todesursache‹ starb. Nach Ansicht der Pathologen, die ihren Leichnam von der Kopfhaut bis zu den Zehennägeln untersuchten, starb sie ›an Furcht‹.
Sie erachteten es als vorstellbar, daß das Mutagen eine unkontrollierbare Adrenalinreaktion verursacht hatte.
Genauso für denkbar hielten sie es, daß die Kenntnis dessen, in was sie sich verwandelt hatte – das dank des Mutagens gewonnene Wissen – ihr unverkraftbares Entsetzen eingeflößt haben könnte.
Wie die Erklärung auch lauten mochte, der Umfang der erlangten ›Unsterblichkeit‹ konnte an der Tatsache ermessen werden, daß später die wenigsten wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema die Testperson mit Namen nannten.
Oder jedoch daran, daß ihr letztes Gekritzel der Menschheit zu guter Letzt in eine eher verhängnisvolle Beziehung zu den Amnion führte.
Vorwiegend hatte sie Zahlen aufgeschrieben, diverse Aneinanderreihungen von Ziffern, die niemandem etwas besagten – auch nicht den Computern Intertechs –, bis ein junger Astronom, der bei alldem eine genauso maßgebliche Rolle wie die freiwillige Testperson spielte und ebenso in Vergessenheit geriet, endlich auf die Idee kam, sie auf ihre Brauchbarkeit als galaktische Koordinaten zu analysieren.
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Nachdem der Amnioni die Zufuhr der Anästhetika in das Luftgemisch, das Morn durch die Atemmaske inhalierte, gestoppt hatte, kehrte
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