Amnion 2: Verbotenes Wissen
aktivierte den Interkom-Apparat. »Laßt mich ein!« knurrte er ins Gerät.
Morn begriff, um was es ihm ging. Möglicherweise war der Helmfunk noch der Station angeschlossen. In der Bordkommunikation dagegen hörte Potential nicht mit.
»Nick«, erkundigte sich Mikka, als ein grünes Lichtchen aufleuchtete und die innere Schleusenpforte sich öffnete, »was, zum Teufel, ist eigentlich los?«
Während er seinen EA-Anzug nachgerade aufrupfte, trampelte Nick ins Raumschiff. »Scheiße, woher soll ich das wissen?« lautete seine Gegenfrage; inzwischen jedoch war sein Abstand zum Interkom-Apparat der Schleuse zu groß, als daß man ihn auf der Brücke noch hätte hören können. Sobald er den Anzug abgeworfen hatte, schaltete er einen anderen, den nächstbesten Interkom-Apparat ein.
»Stell keine dummen Fragen. Du hast alles gehört, was ich zu hören bekommen hab. Diese Quallenbrut!
Wenn sie uns zwingen, lange genug hier rumzulungern, finden sie ausreichend Zeit, um mein Blut zu untersuchen, und dann merken sie, daß sie übers Ohr gehauen worden sind. Alles auf Selbstvernichtung umdirigieren! Startbereitschaft des Pulsator-Antriebs langsam zurücknehmen. Zweigt etwas Energie zum Aufladen der Materiekanonen ab. Und kappt die gesamte externe Kommunikation. Die Station soll nichts hören, wenn ich mich nicht ausdrücklich an sie wende. Wir kommen nach oben.«
Er überließ es Morn, die Innenpforte der Schleuse zu schließen und zu verriegeln, und trat sofort den Weg zum Kommandomodul an.
Eilends zog Morn sich die Atemmaske vom Gesicht, warf sie und ihren EA-Anzug neben Nicks Anzug. Dann tippte sie die Codesequenz fürs Schließen und Versiegeln der Schleuse in die Kontrolltafel und schickte sich an, ihm zu folgen.
Aber sie blieb stehen, sobald sie merkte, daß Davies zurückblieb.
Zusammengekauert saß er mit dem Rücken an der Schleusenpforte, hatte die Beine an die Brust gedrückt. Seine Stirn ruhte auf den Knien.
In dieser Haltung hatte er so wenig Ähnlichkeit mit Angus Thermopyle, daß sie beinahe seinetwegen zu weinen angefangen hätte. Er hatte dringenden Bedarf am manischen, brutalen Überlebensdrang seines Vaters.
Morn kehrte zu ihm um. Doch schon als sie seinen Namen aussprach, schnürte sich ihr die Kehle zu, und sie brachte kein Wort mehr heraus.
»Ich verstehe das alles nicht.« Seine Schenkel und die Atemmaske machten seine Stimme dumpf. »Ich kann mich an nichts erinnern. Er wird mir was Schreckliches antun.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, herrschte Morn ihn an, weil ihre Trauer und Verzweiflung sie zur Barschheit trieben. »Er ist nicht gerade ’n netter Mensch. Aber dem müssen wir uns stellen. Wir haben keine Wahl. Er kann uns im Stich lassen… Bei den Amnion. Dann wäre alles verloren. Wir dürften nicht einmal noch Menschen bleiben. Wir bekämen Mutagene gespritzt und würden so wie sie. Wir könnten von Glück reden, wenn wir dann wenigstens vergessen, daß wir einer Spezies einverleibt worden sind, deren erklärtes Ziel es ist, die gesamte Menschheit in Schleimbeutel zu verwandeln… Davies, hör mir zu! Was mich betrifft, bist du das Zweitwichtigste in der ganzen Galaxis. Du bist mein Sohn.« Du bist der Teil meiner selbst, an den ich den Glauben bewahren muß. »Aber am allerwichtigsten ist es, an erster Stelle steht es, keinen Verrat an meiner Menschlichkeit zu begehen. Solange noch ein Fünkchen Leben in mir steckt, ich noch einen Atemzug tun kann, werde ich nicht dulden, daß mir so etwas geschieht. Oder irgend jemand anderem.«
Sie wußte, wie sie ihn überzeugen konnte: Sie kannte die Eigentümlichkeiten der Motivation, die seinen Willen bestimmten. Es handelte sich um die gleichen Besonderheiten wie bei ihr; um davon abzuweichen, hatte er noch gar keine Zeit gehabt. Und sie hatte jetzt genügend Kraft, um ihm ihre Glaubwürdigkeit zu vermitteln. Dafür sorgte das Z-Implantat.
Langsam hob er den Kopf. Der Blick seiner Augen erinnerte sie an etwas, das sie einmal verabscheut und gefürchtet hatte.
»Wenn er dir weh tun will«, sagte Davies, »reiß ich ihm die Arme aus.«
Morn stieß einen Seufzer der Erleichterung und Bekümmerung aus. »So läuft das nicht. Du bist ihm gleichgültig, darum wird er nicht versuchen, mir weh zu tun. Es ist viel wahrscheinlicher, daß er dir weh tut, um sich an mir zu rächen.«
»Was hab ich ihm denn getan?« Trotz seiner Miene sprach er noch immer wie ein Kind, äußerte seine Worte in einer Art von Singsang der Arglosigkeit. »Ich meine,
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