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Amnion 2: Verbotenes Wissen

Amnion 2: Verbotenes Wissen

Titel: Amnion 2: Verbotenes Wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Neigung, ihr zu glauben, weil er sie für sich hielt, und dem Drang, ihre Aussage abzulehnen, weil sie nach seinem Empfinden unmöglich etwas sein konnte, das von ihm gesondert existierte. Es handelte sich um die grundlegende, allerdings ins Groteske verzerrte, durch die Umstände, unter denen er sie bewältigen mußte, erschwerte Krise des Reifeprozesses: Statt sich langsam hinzuziehen, über sechzehn Jahre, wurde sie bei ihm auf die Zeitspanne von wenigen Minuten komprimiert.
    Morn streckte die Hände zu ihm hinauf, faßte ihn an den Armen; er hatte Arme wie sein Vater, starke Arme. »Du verstehst das alles noch nicht, ich weiß«, sagte sie, als ob sie ihn anflehte. »Dir kommt es ganz verkehrt vor. Wenn du scharf nachdenkst, kannst du dich vielleicht daran erinnern, was passiert ist. Ich werd’s dir erklären… Ich will dir helfen, so gut ich’s kann. Aber nicht jetzt sofort. Nicht hier. Du mußt mir vertrauen. Du glaubst, du wärst Morn Hyland, aber du bist’s nicht. Ich bin Morn Hyland. Du weißt, wie sie aussieht. Sie hat mein Aussehen. Du siehst anders aus. Dein Name ist Davies Hyland. Ich bin deine Mutter. Du bist mein Sohn.«
    »Und der gottverdammte Scheißkerl Kaptein Angus Thermogeil ist dein lausiger Vater!« Nicks Stimme dröhnte, als spräche er durch Lautsprecher, deren Kapazität zur Beschallung eines Auditoriums ausreichte.
    Während er tobte, verringerte der Arzt – wenn es nicht die Autoritäten Potentials taten – die Lautstärke der Übertragung. Es schien, als ob Nick, während er wütete, von Morn fortliefe.
    Davies’ Blick ruckte hinüber zu Nick. Morn sah, wie seine Lider sich aus ererbtem Widerwillen verengten. Dann schaute er wieder Morn an. Sofort wich seine Antipathie offener Panik.
    »Das begreife ich nicht«, sagte er durch seine Atemmaske. »Du bist ich. Du bist das, was ich in meinem Kopf sehe, wenn ich an mich denke. Ich kann mich nicht erinnern… Wer ist Angus Thermogeil?«
    »Ich helfe dir«, versprach Morn eindringlich noch einmal. »Ich erkläre dir alles. Auch beim Erinnern kann ich dir behilflich sein. Wir werden uns gemeinsam an alles erinnern.« Sie hatte den Eindruck, als ob die eigene Atemmaske ihre Stimme entstellte, sie infolgedessen Schwierigkeiten hatte, Davies zu überzeugen. »Aber nicht jetzt. Nicht hier. Es ist zu gefährlich. Vertrau mir einfach. Bitte.«
    »Das Verhalten des Mutterwesens widerspricht der konstatierten Realität«, sagte der Arzt. Mit einem Ohr hörte Morn fremdartige amnionische Untertöne, mit dem anderen Ohr die ihr geläufige Sprache. »Die angewandte Prozedur erzeugt bei Menschen einen vollständigen, unwiderruflichen Verlust des Verstands und der psychischen Funktionen. Eine Analyse ist erforderlich.« Der Amnioni redete weiter, als gälten seine nächsten Worte einem Computer. »Komplette physiologische, metabolische und genetische Decodierung, hohe Priorität.«
    Davies schloß Morn unvermittelt in die Arme und hob sie vom Fußboden hoch; er stellte sie auf die Beine, um sie dann loszulassen, doch als er merkte, daß ihre Knie nachgaben, fing er sie ab und stützte sie an den Ellbogen. Wie sein Vater war er vier, fünf Zentimeter kleiner als Morn. »Ich bin Morn Hyland«, murmelte er, erstickte fast an seiner Bestürzung. »Du bist Morn Hyland. Da stimmt etwas nicht.«
    »Du hast recht«, bestätigte Morn aus tiefstem Herzen. »Ich weiß. Es ist falsch.« Verzweifelt bemühte sie sich, schnellstens für ihn einen Anker in der Wirklichkeit auszuwerfen, damit er nicht um den Verstand kam. »Aber ich hatte keine andere Möglichkeit, um dein Leben zu retten.« Und meine Seele.
    Er starrte sie an aus Augen voller trostloser, ungemilderter Furcht.
    »Es wäre schlauer von dir, ihr zu glauben«, zischte Nick mit gehässiger Bösartigkeit. »Mir hat sie nie die Wahrheit gesagt, aber dir wird sie sie ja wohl sagen. Sie hat’s fast soweit getrieben, daß wir allesamt im Hyperspatium durch die Unendlichkeit verteilt worden wären, bloß um dein beschissenes, erbärmliches Leben zu erhalten.«
    Morn beachtete ihn nicht. Ihr Sohn brauchte sie, ihr Sohn: ihr Geist in Angus’ Gestalt. Sie empfand seine Furcht mit wie ihre eigene; weder hatte sie für Nicks Aufgebrachtheit Aufmerksamkeit übrig, noch für seinen Kummer.
    Der Amnion-Mediziner kam zu ihr und Davies. »Sie wünschen Kleidung«, stellte er fest. »Wir wissen, daß Menschen Kleidung zu tragen wünschen.« Mit einem seiner Arme bot er eine Bordmontur und Stiefel an, fabriziert aus

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