Amnion 2: Verbotenes Wissen
was hast du ihm getan, als ich du gewesen bin?«
So nachdrücklich, wie sie es fertigbrachte, erneuerte Morn ihr Versprechen. »Ich sag’s dir. Ich will dir alles erzählen. Und wenn du erst mal dazu Gelegenheit hast, erinnerst du dich bestimmt selber an vieles. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt. Wir müssen auf die Brücke. Um uns wehren zu können, müssen wir wissen, was sich abspielt. Schaffst du’s?«
Für einen kurzen Moment sah sie hinter seinen finsteren, verzerrten Gesichtszügen und dem bedrohlichen Blick einen Anflug ihres eigenen Vaters, des Mannes, dessen Namen er erhalten hatte.
»Ich schaff’s.«
Und schon war diese Andeutung verflogen. Als er die Atemmaske abwarf und aufstand, ähnelte er niemandem außer Angus Thermopyle.
Liebe und Widerwillen verursachten Morn Herzflattern, als sie sich abwandte, um vorauszugehen.
Die Brücke machte einen überfüllten Eindruck. Mikkas Schicht war noch im Dienst, und Vector Shaheed saß auf dem Platz des Bordtechnikers. Aber Nick hatte die Kommandokonsole von Mikka übernommen, so daß die Erste Offizierin momentan keinen Sitzplatz hatte. Und sie war nicht die einzige, die im Kommandomodul stand. Bei ihr befanden sich Liete Corregio, ferner Simper, der große, klobige Schläger, der den Drittoperator für Zielerfassung und Waffenbedienung abgab, und Pastille, der schlaksige, wieselhafte dritte Mann von der Steuerung.
Als Morn und Davies die Eingangsblende durchquerten, drehten Köpfe sich ihnen zu. Vector sank, wahrscheinlich aus Staunen über Davies’ Ähnlichkeit mit Angus, das Kinn herab; Alba Parmute unterzog den Jungen einer kurzen Musterung sexueller Anerkennung. Doch Morns Beachtung galt sofort Nick. Deshalb entging es ihr anfangs, wie andere Anwesende sie anschauten: sah sie nicht die Härte in Mikkas Augen, nicht Lietes verschleierten Blick, so wenig wie Simpers Lüsternheit und Pastilles unverhohlene Schadenfreude.
Bis sie ihre Blicke unverwandt auf sich ruhen fühlte, fiel ihr nicht auf, daß alle vier Waffen trugen.
»Bist du sicher, daß das sein muß?« erkundigte Mikka sich bei Nick. »Sie können doch nirgends hin. Zum Henker, sie haben ja offensichtlich gar nicht vor, sich zu verdrücken.«
»Tu was ich sage!« schnauzte Nick, ohne den Kopf zu wenden. »Sperrt sie ein! Getrennt! Ich habe jetzt keine Zeit, um mich mit ihnen zu befassen. Und setzt ihre Interkom-Apparate außer Betrieb. Ich will nicht, daß sie miteinander quasseln.«
»Nick…!« Der Schreck entrang Morn, ehe sie es verhindern konnte, einen Aufschrei des Protests. Gleichzeitig zückten Mikka, Liete und die zwei Männer ihre Impacter-Pistolen. Simper schmunzelte, als hätte er Erlaubnis, sich eine kleine, köstliche, gruselige Schwäche herauszunehmen. »Nick…« Morn versuchte noch einmal, diesmal vorsichtiger, Einspruch zu erheben. »Mach das nicht. Er darf jetzt nicht allein sein. Laß mich wenigstens mit ihm sprechen. Wir müssen uns verständigen, er und ich. Gegenwärtig denkt er noch, er wäre ich. Wenn er in dieser Situation allein bleibt, kann er den Verstand verlieren.«
»Soll er doch!« erwiderte Nick höhnisch. »Von mir aus soll er soviel Verstand verlieren, wie er hat. Du wirst nicht mit ihm reden, bis ich herausgefunden habe, weshalb du mich belogen hast. Um’s klar zu sagen, du wirst nicht mit ihm reden dürfen, bevor ich sichergestellt habe, daß du mich nie wieder anlügst. Und wenn du nun nicht das Maul hältst und gehst, wirst du’s bereuen!«
Der Waffensysteme-Drittoperator grinste breiter.
»Nick«, meldete Scorz sich mit unsicherer Stimme zu Wort, »eine Mitteilung Station Potentials.«
Alle Anwesenden verharrten stumm.
»Auf Audio schalten«, befahl Nick durch zusammengebissene Zähne.
Scorz tippte an seiner Kontrollkonsole Tasten. »Station Potential an vorgeblichen Human-Kapitän Nick Succorso«, erscholl unverzüglich die Alienstimme, »bereiten Sie sich auf den Besuch eines Unterhändlers vor.«
Nick straffte sich in seinem Kapitänssessel.
»Handel ist eine Notwendigkeit. Vermutungen zufolge werden die Verhandlungen…« – eine kurze Pause entstand – »schwierig sein. Der Unterhändler wird für die Amnion sprechen. Um Sie zur Aufnahme der Verhandlungen zu ermutigen, wird der Unterhändler Ihr Raumschiff allein aufsuchen. Die Harmonisierung der Zwecke wird durch wechselseitige Erfüllung der Ansprüche erreicht.«
Nick beugte sich vor. »Scorz, folgende Antwort notieren: ›Eine genauere Erklärung wird verlangt.
Weitere Kostenlose Bücher