Amnion 2: Verbotenes Wissen
auch genug Zaster« – er hielt die Kredit-Obligation in die Höhe – »für ’ne Reparatur des Ponton-Antriebs. Verdammt noch mal, ’s reicht sogar aus, um das Scheißding komplett auszutauschen. Also frage ich: Weshalb sollten wir uns auf noch mehr Geschäftchen mit den Amnion einlassen?«
Liete kannte, was die Antwort betraf, kein Zögern. »Damit wir uns ungeschoren verpissen können.«
»Wieso?« hielt Nick ihr entgegen. »Unser Abflug ist doch gesichert, das haben sie uns mitgeteilt. Warum sollten wir um etwas feilschen, was sie uns schon zugesagt haben?«
Vector schlug die Augen auf. »Nein, Nick, Liete hat recht.« Sein Blick war stumpf, und er lächelte nicht; das Fleisch seines Gesichts schien ihm, falls möglich, noch schlaffer von den Konturen des Schädels zu hängen. »So einfach ist es nicht. Du hast selber gesagt, daß sie Zeit finden, um die Untersuchung deines Bluts abzuschließen, wenn sie uns genügend lange festhalten. Aber die Situation ist sogar noch schlimmer. Selbst wenn wir abfliegen, aber zu langsam sind, bleibt ihnen genug Zeit. Dann werden sie unsere Verfolgung aufnehmen. Und sie erwischen uns.«
Man konnte Vectors Stimme die Arthritis seiner Gelenke anhören. »Gegenwärtig könnten wir nicht mal ’ne Kosmokapsel abhängen, falls sie ’n Ponton-Antrieb hätte. Und wir sind…« – er streckte und krümmte die Finger auf seinem Kontrollpult – »ein halbes Lichtjahr von Thanatos Minor entfernt. Das heißt, ’n volles Jahr Flugzeit bei Höchstgeschwindigkeit. Solange haben sie Zeit, um uns einzuholen, während wir versuchen, mit Vorräten für sechs oder neun Monate zu überleben.«
»Komm zur Sache«, schnarrte Nick.
Vector seufzte, als verhärtete er sich innerlich gegen Morns eindringlichen Blick. »Es geht darum, daß wir, wenn du ihnen nicht zum Ausgleich dafür, daß du sie reingelegt hast, Davies auslieferst, erledigt sind. Wir haben keine Chance.«
»Wer ist das?« wollte Davies – nicht allzu leise – von Morn erfahren, als stellte er insgeheim eine Schwarze Liste seiner Widersacher auf und hätte vor, auch Vector auf sie zu setzen.
… des neuen menschlichen Nachfahren…
»Nicht jetzt«, zischelte Morn ihm zu. »Bitte.«
Nick ignorierte sie und Davies. »Und wenn wir mit ihnen die Reparatur des Ponton-Antriebs aushandeln?«
»Daran habe ich auch gedacht.« Trotz seiner laschen Haltung und erschlafften Gesichtszüge scheute Vector sich nicht, mit Nick eine Diskussion anzufangen. »Aber das dürfte nicht klappen. Es würde zu lange dauern. Soviel ich weiß, haben sie zwar vergleichbares Gerät wie wir, aber die Konstruktionen sind nicht kompatibel. Wir müßten sie an unserem Antrieb rumbasteln lassen, bis sie ihn in Ordnung gebracht hätten. Das könnte Tage beanspruchen. Und es wäre mit ’m neuen Problem verbunden: Wir müßten sie haufenweise an Bord lassen. Es wären ständig Amnion im Raumschiff. Das wäre ganz schön riskant. Sie könnten Sabotage verüben oder das Schiff schlichtweg kapern, wie und wann es ihnen gefiele.«
Der Bordtechniker hatte mit seinen Äußerungen einen Tenor angeschlagen, als stünde die Käptens Liebchen vor einem unabwendbaren Verhängnis; doch Nick ging darüber hinweg. »Und wie war’s«, fragte er so vorsichtig, als spräche er nun einen Punkt an, den er schon die ganze Zeit vorausgesehen hätte, als ließe er eine persönliche Falle zuschnappen, »wir erhandeln Ersatzteile und führen selber die Reparaturarbeiten aus?«
Vector hielt dem Blick seines Kapitäns stand; aber langsam öffnete sich sein lascher Mund. »Nick«, gab er einen Moment später zu bedenken, »so gut bin ich nicht.«
»Du solltest mal lieber so gut sein«, entgegnete Nick vergnügt, »denn das ist die einzige Möglichkeit, die uns bleibt. Ich gebe dir für die Arbeiten drei Stunden Zeit.«
Am Rande ihres Blickfelds sah Morn auf einmal in Vectors Gesicht Schweißperlen hervorquellen, in seinem Mondgesicht winzige, feuchte Glanzlichter bilden. Doch sie beschäftigte sich jetzt nicht mit ihm oder dem, was er redete. Im Grunde genommen hatte er selbstverständlich recht: Ohne betriebsfähigen Ponton-Antrieb konnte die Käptens Liebchen einpacken, sie war, wenn die Amnion seinen Betrug aufdeckten, zu fern vom Human-Kosmos, um fliehen zu können. Dies Dilemma hatte jedoch mit ihr überhaupt nichts zu schaffen. Sie sah sich einem völlig anderen Problem gegenüber. Nick würde es tun; er meinte es ernst. Er hatte ernsthaft vor, Davies den Amnion
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