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Amnion 2: Verbotenes Wissen

Amnion 2: Verbotenes Wissen

Titel: Amnion 2: Verbotenes Wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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was er sich zu erinnern vermochte: sein ererbtes Ich. Jetzt hatte Nick auch diese Erinnerungen, dieses Ich, in trügerischen Boden verwandelt. Er hatte Davies Anlaß zu der Befürchtung gegeben, seine ärgsten Feinde, die Menschen, die ihm die größten Übel zugefügt hatten, könnten seine Mutter und sein Vater sein; daß sein eigener Geist ein an ihm verübtes Verbrechen sein könnte.
    Gab es überhaupt eine Hoffnung, daß er diese Art von Bürde überstand? Wie sollte sie noch für ihn hoffen? Wenn die Amnion ihn in Gewahrsam nahmen, empfand er sie vielleicht als die vernünftigsten Zeitgenossen, die er kannte.
    Den Oberkörper aufgerichtet, schwankte Morn auf den Knien.
    Noch einen Atemzug.
    Noch einen.
    Mit der beschmutzten Hand schmierte sie sich Erbrochenes ins Gesicht, versuchte es abzuwischen. Sie war selbst wahnsinnig, befand sich in den Klauen einer irren, surrealistischen Verstandesklarheit, die alles durchschaute und nichts begriff. Sie wußte nicht, was sie tun sollte, bis sie es getan hatte.
    Sie füllte ihre Lungen mit soviel Luft wie möglich und stand wacklig auf.
    Nick hatte Mikka befohlen, Davies’ Interkom-Apparat stillzulegen; doch über den Apparat hier in der Kabine hatte er nichts gesagt. Und er konnte noch nicht auf die Brücke zurückgekehrt sein. Daß sie ausreichend lang in ihrem Erbrochenen gekniet hatte, um ihm Zeit für die Umkehr ins Kommandomodul zu lassen, war ausgeschlossen.
    Unsicher auf den Füßen, benommenen Kopfs, aber ohne Rücksicht auf sich selbst, schlurfte sie zur Wand und betätigte die EIN-Taste des Interkom-Apparats mit solcher Gewaltsamkeit, als ließe das Gerät sich durch Brachialgewalt zum Funktionieren zwingen.
    Ein Lämpchen leuchtete auf: Der Apparat ging an.
    Aus dem Lautsprecher ertönte Hintergrundgemurmel, vermittelte den Eindruck einer Weiträumigkeit beziehungsweise eines Ambientes, das zu groß war für die Enge der Brücke. Irgendwie hatte sie eine Allgemeinverbindung zum Rest des Raumschiffs zustande gebracht – falls nicht irgend jemand sie ihr gegeben hatte.
    Jemand der wollte, daß sie zum Raumschiff sprach.
    »Hört mir zu«, krächzte sie mit von Beschwerden und Zerrüttung heiserer Stimme. »Nick hat die Absicht, den Amnion meinen Sohn auszuliefern.«
    Warum sollten die anderen daran Anstoß nehmen? Die Mehrzahl von ihnen – vielleicht sogar ihre Gesamtheit – wußte ohnehin längst, was er trieb. Und sie war Polizistin: In ihr sah man eine Feindin. Was versprach sie sich eigentlich von ihrem Gewäsch?
    Wer hatte ihr diese Chance zugestanden?
    Sie nutzte sie, ohne überhaupt zu versuchen, ihren Ursprung zu begreifen. Wie eine Besessene, aber klaren Bewußtseins, ließ sie alles, was sie an Willen noch hatte, in ihre Stimme einfließen.
    »Ich weiß, warum ihr hier an Bord seid… Wenigstens von einigen weiß ich’s. Ich verstehe, weshalb ihr so lebt. Für manche von euch bedeutet es Freiheit, Ungebundenheit. Illegale zu sein, läßt euch mehr Alternativen, legt euch weniger Hemmschuhe in den Weg. Ihr habt zuviel verloren, zu vieles versäumt. Jetzt könnt ihr euch nehmen, was ihr euch wünscht.«
    Sie hatte keine rechte Ahnung, was sie sagen sollte. Sie fühlte sich zu schwach, und Beredsamkeit zählte nicht zu ihren Stärken. Um sich inneren Halt zu verschaffen, malte sie sich aus, wie ihre Stimme durch alle Räume und Kabinen des Raumschiffs scholl, unüberhörbar durch die Korridore hallte. Sie stellte sich vor, Beachtung zu finden.
    »Aber ist so ein Verhalten auch etwas, das ihr wollt? Möchtet ihr Menschen den Amnion ausliefern? Habt ihr euch nicht überlegt, was das bedeutet? Es heißt, jeder von euch kann als nächster an der Reihe sein. Diesmal gilt’s als zulässig, meinen Sohn an sie zu verschachern. Das nächste Mal könnte es als opportun gelten, ihnen einen von euch zu verkaufen. Habe ich nicht recht, Alba? Pastille? Seid ihr der Ansicht, ihr seid es Nick wert, bei seiner Crew bleiben zu dürfen? Seid ihr sicher? Und wenn er auf Thanatos Minor irgend jemanden ausfindig macht, der eure Arbeit besser als ihr zu erledigen versteht? Oder besser bumsen kann? Oder unterwürfiger ist? Sind das Verhältnisse, unter denen ihr leben möchtet?«
    Hustenreiz krampfte ihre wunde Kehle und die gereizte Speiseröhre zusammen. Doch sie konnte es sich nicht gestatten, nun zu schweigen. Sie hatte keine Zeit: Nick würde sie zum Schweigen bringen, sobald er auf die Brücke gelangte. In ihrer Phantasie sah sie ihn in Richtung Kommandomodul

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