Amnion 2: Verbotenes Wissen
Erinnerung wohl entfallen sein.« Sein Lächeln war zu einem gefährlichen Grinsen geworden. »Wir sind, darauf hab ich anfangs hingewiesen, ungefähr einen Flugtag von Thanatos Minor entfernt. Bei unserer gegenwärtigen Geschwindigkeit ist das eine Distanz, innerhalb der Scanning und Kommunikation keinerlei Probleme aufwerfen. Wovon ich noch nicht gesprochen habe, ist, daß auf fast genau halber Strecke zwischen uns und der Reede ein amnionisches Kriegsschiff lauert, die Friedliche Hegemonie. Und es besteht auf eben das, was die Stiller Horizont verlangt hat. Die Amnion wollen Davies.«
Morn keuchte und ächzte, vermochte aber vor Schmerzen kein Wort zu sprechen.
Aus dem Interkom-Lautsprecher ertönten hohle Laute mühsamen, heiseren Atmens.
»Bei oberflächlicher Betrachtung ist das für alle Beteiligten ein kompliziertes Problem«, erklärte Nick, als ob er sich lediglich an einem Schwätzchen in der Kombüse beteiligte. »Einerseits wollen sie Davies.
Andererseits nicht so dringend, daß sie wirklich um ihn zu kämpfen bereit wären, auf keinen Fall, während ganz Kassafort zuschaut. Ich bin mir sicher, daß sie der Überzeugung sind, im Recht zu sein, aber sie kennen sich mit dem üblichen menschlichen Argwohn so gut aus, daß ihnen klar ist, keine ihrer Begründungen könnte eine schwere Beeinträchtigung ihrer Reputation ausgleichen. Und es steht nicht mal fest, daß sie aus einem Gefecht tatsächlich als Sieger hervorgehen. Bei diesen Geschwindigkeiten könnten wir ihre schwerfällige Blechröhre umschwirren wie ’ne Hornisse, ihr möglicherweise schwere Schäden beibringen. Sie vielleicht sogar vernichten. Und falls wir allein nicht dazu imstande sind, kann es sein, daß wir Unterstützung erhalten. Es ist eines, mit den Amnion Geschäfte zu machen. Etwas völlig anderes ist’s, dazusitzen und zuzusehen, wie sie ein Raumschiff mit Menschen an Bord zusammenschießen. Auf unserer Seite könnten unerwartete Verbündete eingreifen. Deshalb werden sie, wenn’s sich einrichten läßt, einen Kampf vermeiden.«
»Du Drecksau«, knirschte Morn durch die Zähne. »Du elender…«
Nick tippte auf Tasten des Zonenimplantat-Kontrollgeräts.
Diesmal hatte Morn nicht einmal Zeit zum Zusammenzucken. Ehe sie auch nur mit neuen Unannehmlichkeiten rechnen konnte, durchwallte ein Kälteschub sie. Augenblicklich begann sie derartig stark zu zittern, daß sie die Gewalt über ihre Stimme verlor. Steil sank ihre Körpertemperatur ab, Morn geriet in Unterkühlung. Ihre Versuche, Nick zu beschimpfen, blieben nur unverständliches Gebrabbel.
»Aber wie ich uns kenne«, meinte Nick gutgelaunt, »glaube ich durchaus, daß wir sie abblitzen lassen können. Daß ich sie ausmanövrieren kann, weiß ich. Hörst du zu, Davies? Es ist dein Leben, über das ich hier spreche.«
Ein rauhes Schnaufen kam aus dem Lautsprecher, aber eine Antwort gab Davies nicht.
Nick hob die Schultern. »Es besteht nur eine Schwierigkeit«, räumte er ein. »Diese alte Bratenröhre Stiller Horizont folgt uns, so schnell sie kann, und ich weiß auch, daß es mir unmöglich ist, zwei Amnion-Kriegsschiffe zu schlagen. Die einzige Hoffnung wäre, im Eiltempo aus dieser Gegend des Weltraums abzuhauen. Aber täten wir das – geläng’s uns, mit heiler Haut zu verschwinden –, was hätten wir dann erreicht? Wir wären schauderhaft weit von allem entfernt, und das ohne Ponton-Antrieb, ohne Aussicht auf Reparatur. Wir müßten langsam, statt schnell sterben, das wäre das ganze Ergebnis.«
Morn befand sich beinahe im Schockzustand; trotzdem ließ er nicht von ihr ab. Durch weiteres Experimentieren am schwarzen Kästchen erhöhte er ihre Körpertemperatur. Nach ein paar erfolglosen Versuchen gelang es ihm endlich, ihre Glieder zu steuern. Er bewegte Morns Arm zum Mund und zwängte ihr die eigenen Finger hinein, zwang sie dazu, ihn sich selbst zu stopfen.
»Denkst du etwa, Hashi Lebwohl schickt Hilfe?« erkundigte Nick sich liebenswürdig bei Morn. »Du glaubst es vielleicht. Ich bin der Ansicht, daß er mich abgeschrieben hat. Schon bevor wir in den Bannkosmos eingeflogen sind, hat er mich wissen lassen, daß ich auf mich gestellt bin. Inzwischen wird er sich wohl zusammengereimt haben, daß wir Station Potential ›unerlaubt‹ einen Besuch abgestattet haben. Ich glaube, er ist jetzt zu der Auffassung gelangt, daß ich mehr Ärger verursache, als ich nützlich sein kann. Seitdem hat er auf keinen meiner Funksprüche mehr geantwortet, obwohl ich sie als
Weitere Kostenlose Bücher