Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Amnion 2: Verbotenes Wissen

Amnion 2: Verbotenes Wissen

Titel: Amnion 2: Verbotenes Wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
rennen, um ihrem Appell schleunigst ein Ende zu bereiten.
    Sie redete weiter, weinte vor Anstrengung.
    »Einige von euch haben andere Gründe. Sie sind dabei, weil die Polizei korrupt ist – die ganzen verfluchten VMK sind korrupt –, und das Illegalendasein der einzige Weg, um denen ins Handwerk zu pfuschen. Vector? Sib? Mikka? Könnt ihr mich hören? Die Polizei ist korrupt. Ich hab’s nicht gewußt, aber jetzt weiß ich’s. Mir gefällt’s genausowenig wie euch. Ich bin Polizistin geworden, weil Piraten meine Mutter umbrachten und ich mit ihnen den Kampf aufnehmen wollte. Ich hatte den Wunsch, gegen alles anzutreten, was menschliches Leben, Freiheit und Sicherheit gefährdet. Die Dinge, die ich inzwischen erfahren habe, widern mich an. Aber das ist kein Grund, um meinen Sohn den Amnion zu überlassen. Der Polizei tut’s nicht weh, dort macht man sich überhaupt nichts daraus. Es ist Verrat an der Menschheit, an der gesamten Menschheit, an euch und mir, an jedem lebenden Mann und Kind, jeder lebenden Frau. Ihr habt alle selbst Familien. Ihr stammt irgendwoher, ihr müßt Väter und Mütter gehabt haben, Brüder und Schwestern, Verwandte und Freunde. Wie steht es mit ihnen? Wofür würdet ihr sie verkaufen? Wie könntet ihr euch danach je wieder im Spiegel betrachten? Duldet nicht, daß er so etwas in die Tat umsetzt.«
    Ehe sie den Aufruf äußerte, war ihr gar nicht bewußt, daß sie zur Meuterei anstiftete. »Denkt euch eine andere Lösung aus. Es muß irgendeine andere Lösung geben.«
    Welcher Art sie sein könnte, war ihr selbst nicht ersichtlich. In wichtiger Beziehung war Nick mehr als nur der Kapitän des Raumschiffs: Er verkörperte das Schiff selbst. Seine Prioritätscodes beherrschten jede Bordfunktion; er fällte samt und sonders die Entscheidungen; seine Fähigkeiten sicherten der Besatzung das Überleben. Alle die Morn hörten, waren von ihm abhängig.
    Wer ihn herausforderte, mochte leicht vom gleichen Schicksal wie Davies ereilt werden.
    Plötzlich übermittelte die Interkom die Stimme ihres Gegenspielers.
    »Ich habe euch ja gesagt, daß sie’s nicht sonderlich gut aufnimmt«, erklärte Nick. Sein Tonfall bezeugte vollkommene Selbstsicherheit; er fühlte sich gegen Morns Drohungen gefeit. »Ihr habt genug gehört, um zu kapieren, was ich meine. Du kannst nun abschalten, Mikka.«
    Nick hatte sich die ganze Zeit hindurch auf der Brücke befunden. Er hatte Morn zu quasseln erlaubt; es dem gesamten Raumschiff gestattet, ihr zuzuhören, um sich seine Unantastbarkeit zu beweisen. So sicher fühlte er sich seiner Sache.
    Morn verzichtete auf Worte und fing an zu schreien.
    Ihr fürchterliches Heulen, heiser wie es sich aus Rauheit und Überanstrengung ihrer Kehle entrang, gellte durch die Käptens Liebchen, bis das Lämpchen an ihrem Interkom-Apparat erlosch.
    Sie schrie weiter, weil sie noch nicht genug geschrien hatte. Aber jetzt hörten nur die Wände der Kabine sie noch.
    Sie ließ nicht zu schreien nach, bis ihre Kehle versagte.
    Dann sackte sie auf den Stuhl und verbarg das Gesicht in den Händen.
    Geduld.
    Der Teil ihrer selbst, der alles durchschaute und nichts enthüllte, erklärte ihr nicht wieso; er sagte ihr schlicht und einfach: Geduld.
    Warte.
    Bis man Davies in einer Kosmokapsel zu den Amnion hinüberzuschießen beabsichtigte, würden noch fast zwölf Stunden vergehen. Innerhalb von zwölf Stunden konnte vieles geschehen. Ein Leben konnte gerettet oder verloren werden. Hoffnung und Untergang traten des öfteren so plötzlich auf wie das Hyperspatium-Syndrom.
    Eines nach dem anderen.
    Als erstes mußte sie abwarten.
    Aber nicht so. In dieser Haltung sah sie nicht den Interkom-Apparat.
    Ohne zu wissen warum, rückte sie den Stuhl so zurecht, daß sie die Lämpchen des Apparats im Blickfeld hatte. Dann nahm sie, obwohl sie nach Magensäure und unverdautem Haferschleim stank, wahrscheinlich die Zeit hätte erübrigen können, um in die Hygienezelle zu gehen und das Gesicht zu waschen, wieder auf den Stuhl und fügte sich ins Warten.
    Geduld.
    Jede Sekunde, die verstrich, brachte das Ende näher. Das Ende ihres Sohnes – und ihr eigenes. Trotzdem faßte sie sich in Geduld.
    Der sichere, surreale Teil ihres Ichs wußte, was sie tat. Nick war zu neugierig, was sie betraf, hatte zu starkes Interesse am Vorantreiben seiner Rache, als daß es ihm erträglich gewesen wäre, sie mit Verachtung zu strafen. Und nachdem sie ungefähr eine Stunde lang – so reglos, als befände sie sich wirklich

Weitere Kostenlose Bücher