Amnion 2: Verbotenes Wissen
und daher ein breites Spektrum von Polymeren wirksam zu Kompost verarbeitete, und leistete dadurch einen lukrativen Beitrag zur Müll- und Abfallbewältigung auf der Erde. Spätere Forschungen resultierten in einer Vielfalt von Medikamenten, darunter einem, das Hilfe für Menschen erbrachte, die an einer vielerörterten Form durch Smog begünstigter Leukämie litten. Ein anderes Projekt betraf Verjüngungs- und Langlebigkeitsmittel. Die profitabelste Entdeckung Intertechs war jedoch der Catecholamin-Inhibitor – weithin vereinfachend als ›Kataleptium‹ aufgefaßt und darum kurz ›Kat‹ genannt –, der bald bei der Behandlung von Streßerkrankungen, Schlaflosigkeit, Adrenalinvergiftung und Depressionen die meisten Tranquilizer, L-Tryptophan-Derivate, Sedativa und Lithium-Verbindungen verdrängte.
Durch Kat allein hatte Intertech genug Geld, um seine Tätigkeit auf die Weltraumerschließung auszudehnen.
Der Belang der Erschließung für die Forschung lag trotz der Unberechenbarkeit klar auf der Hand. Dank der Entwicklung des Ponton-Antriebs befand sich mittlerweile eine große Anzahl von Sternensystemen in Reichweite, deren jedes aus einem eigenen, speziellen nuklearen Nebel entstanden war, seine eigenen besonderen Isotope, Chemikalien und Materialien hatte, neue Ressourcen verkörperte und Gelegenheiten darbot. Tatsächlich kehrte schon eines der ersten Intertech-Explorationsraumschiffe, die Große Hoffnung, mit einem neuen radioaktiven Isotop zurück (das man später nach dem Nuklearchemiker an Bord der Großen Hoffnung, Malcolm Harbinger, der es als erster identifizierte, Harbingium nannte), das sich als erstaunlich nutzbringend beim Rekombinieren von DNS erwies: Die Emissionen des Harbingiums waren so spezifisch für die Polymerase, die in der RNS die Nukleotide verband, daß es genetische Forschungen ermöglichte, die bis dahin hartnäckig aufs Theoretische beschränkt geblieben waren.
Intertech erlebte einen Boom, und die Aktien der Firma stiegen. Bis zum Ausbruch des sogenannten Aufstands der Menschheit.
Der Aufstand der Menschheit als solcher lieferte ein interessantes Beispiel für Genophobie. Daß die Menschheit allem mißtraute, das anders als sie selbst war, gehörte schon immer zum Allgemeinwissen. Offenbar erachtete sie sich als Spezies – als biologisches Produkt ihres Planeten – für ein Heiligtum.
In diesem Zusammenhang traten die vorherrschenden Religionen der Erde nur lautstärker als andere Gruppierungen auf; einen grundsätzlichen Unterschied in ihrer Haltung zu dieser Frage gab es nicht. Das Leben hatte sich auf der Erde so entwickelt, lautete die Argumentation, wie es hatte werden müssen; die während dieses Entwicklungsprozesses entstandenen Lebensformen waren in ihrem Dasein richtig und gut; jede Abänderung bewertete man als moralisch widerwärtig und empfand sie persönlich als abstoßend. In diesem Punkt waren Konservative, Umweltaktivisten und Tierschützer sich einig mit Moslems, Hindus und Christen. Plastische Chirurgie in allen ihren Erscheinungen zur Korrektur körperlicher Gebrechen oder Unzulänglichkeiten galt als akzeptable; genetische Veränderungen zur Behebung der gleichen Probleme dagegen nicht.
Um ein grobes Beispiel anzuführen: Einerseits hatte die Menschheit keine Bedenken gegen Soldaten, denen man Laserschneider in die Finger einsetzte oder Infrarotscanner in die Schädel einpflanzte. Andererseits wandte sie sich entschieden gegen die genetische Veränderung von Soldaten, die darauf abzielte, ihre Reflexe zu beschleunigen, die Körperkräfte zu erhöhen oder ihren Gehorsam zu steigern. Infrarotscanner und Laserschneider stufte man als bloße Instrumente ein, als Werkzeug; schnellere Reflexe, erhöhte Körperkräfte sowie gesteigerten Gehorsam hingegen bewertete man als Verbrechen an der Natur.
Aus diesem Grund betrieb man genetische Forschungen routinemäßig nur im geheimen: zum Teil, um sich der Industriespionage zu erwehren, hauptsächlich jedoch, um die Forscher gegen öffentliche Anfeindungen zu schützen.
Aber die Reaktion der Menschheit ging, als Intertechs ›Verbrechen an der Natur‹ Bekanntheit erlangte, weit über ›öffentliche Anfeindungen‹ hinaus. Es wurde zum Auslöser des Aufstands der Menschheit.
Dahin konnte es kommen, weil das Intertech-Explorationsraumschiff Fernpilger der Menschheit die erste Nachricht über die Existenz der Amnion heimbrachte.
Das Wissen über die Amnion als solches war enthalten in einem Kryogenik-Flugkörper,
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