Amnion 2: Verbotenes Wissen
stärksten fürchtete, erwies er sich als am dickfelligsten. Sein Grausen vor der eigenen Hilflosigkeit erhob ihn beinahe zum Supermann.
Ein anderer Vorteil, den er hatte, bestand aus seiner Begabung, die Verhörbeauftragten ins Schwitzen zu bringen. Dank derselben verderbten, teuer bezahlten Schläue, die ihn zu erraten befähigte, was die auffällige Zunahme an Marterungen besagte – daß nämlich der Sicherheitsdienst der KombiMontan-Station jetzt einer unerwarteten zeitlichen Begrenzung unterlag und die Chance, ihn zum Reden zu nötigen, in Kürze verlor, falls es ihm bis dahin nicht gelang –, erahnte er auch nicht wenig über die Rolle, die Milos Taverner bei seinen endlos ausgedehnten Vernehmungen spielte.
Der Hauptanklagepunkt gegen Angus hatte auf nichts als einer Machenschaft beruht. Vor seiner Verhaftung hatte Angus herausgefunden gehabt, daß Nick Succorso irgendeine Kumpanei mit dem Stationssicherheitsdienst pflegte. Und natürlich hätte Succorso ohne Duldung durch die Station – ohne Hilfe eines Doppelagenten beim Sicherheitsdienst – nie Stationsvorräte verwenden können, um Angus eine Falle zu stellen. Taverners Betragen im Verlaufe der monatelangen Verhöre gab Angus die Gewißheit, den Doppelagenten genau zu kennen. Angus hatte das intutive Gehör einer Memme: Er merkte es, wenn jemand, der Fragen an ihn richtete, in Wahrheit gar keine Antworten wünschte.
Also bewahrte Angus trotz der erhöhten Grausamkeit der Behandlung, die ihm widerfuhr, verbissen Schweigen, und wartete darauf, daß dem Stellvertretenden Sicherheitsdienstleiter die Zeit ausging.
Die Pose, die er zwischenzeitlich einnahm, war die eines Geschlagenen, der nur noch dem Tod entgegensah. Seine Wärter mißtrauten natürlich dieser Pose; und dazu hatten sie allen Grund. Ihn scherte es nicht. Jetzt interessierte es ihn ausschließlich, seine Kräfte zu schonen, bis sich irgend etwas änderte.
Mehrere Monate zuvor hatte er die gleiche Taktik in anderer Absicht verfolgt.
Am Anfang, unmittelbar nach seiner Verhaftung – während der Haft, der ersten Befragungen und genauso der Gerichtsverhandlung –, hatte er an irgendwelchen Posen keinen Bedarf gehabt. Herkömmliche Sturheit genügte, um jedes Ansinnen, jede Forderung abzuweisen. Falls er etwas außer seinem gewohnten finsteren Haß empfand, dann lediglich Erleichterung. Ihm war es gelungen, einem Todesurteil zu entgehen. Und unter der Oberfläche seiner Erleichterung verbarg sich, ohne daß er dem hätte abhelfen können,’ tiefe Dankbarkeit gegenüber Morn Hyland, weil sie ihren Teil der Abmachung eingehalten hatte.
Doch das war gewesen, bevor man ihm die Absicht mitteilte, die Strahlende Schönheit zu demontieren und nach Ersatzteilen auszuschlachten. Als er hörte, daß man sein Raumschiff, sein Schiff, zerstören wollte, seine Existenz beenden, da schlug die Logik seiner Gefühle um. Alles was Erleichtertsein oder Dankbarkeit ähnelte, verschwand in einem seelischen Vulkan des Schreckens und der Empörung, eines so bodenlos tiefen Grams, daß er heulte wie ein Tier und sich wie ein Berserker aufführte, bis man ihm Beruhigungsmittel injizierte.
Nachdem er die anfängliche Verstörung verwunden hatte, mimte er einen Mann, der keinerlei Lebenswillen mehr verspürte.
Während der Vernehmungssitzungen musterte er Taverner fortgesetzt haßerfüllten, bösen Blicks; dem Vernehmungsführer mochte er nicht das kleinste Zugeständnis machen. Aber wenn er allein war, gab er sich teilnahmslos und desinteressiert. Ab und zu vernachlässigte er das Essen. Er kauerte in seiner Gefängniszelle schlaff auf der Pritsche, stierte die kahlen, farblosen Wände oder die Decke an, die sich kaum voneinander unterscheiden ließen. Gelegentlich starrte er ins Licht, als hoffte er, dadurch zu erblinden. Er zuckte mit keiner Wimper, wenn die Wärter mit Stunnerknüppeln kamen. Um ihn notdürftig zu säubern, mußten sie ihn gewaltsam in die Hygienezelle schaffen. Sie mißtrauten ihm; das war unvermeidlich. Doch sie waren nur Menschen, hatten rasch Langeweile. Angus dagegen hatte die Geduld und die Starrköpfigkeit eines Feiglings, der um jeden Preis zu überleben gedachte.
Trotz seiner aufgewühlten Emotionen, die unablässig wie Säure in ihm schäumten, konnte er warten. In diesem Fall saß er zwei Monate aus, ehe er irgend jemandem – ausgenommen Milos Taverner – irgendeine andere Regung als Resignation und Schicksalsergebenheit zeigte.
Schließlich faßte der Gedanke, er sei ein
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