Amnion 2: Verbotenes Wissen
Verhaftung und Verurteilung hatte das VMKP-HQ dem Fall nur routineübliche Beachtung geschenkt. Kopien der Akten waren angefordert worden; mehr nicht. Nicht einmal die Information, daß eine VMKP-Leutnantin, Morn Hyland, mit Angus die Station betreten und sie mit Nick Succorso verlassen hatte, führte zu einer erkennbaren Reaktion, selbst von Min Donner nicht, die den Ruf genoß, ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Operativen Abteilung mit nahezu fanatischer Entschiedenheit die Treue zu halten. Morn Hylands Vorwurf, auf der KombiMontan-Station sei an dem VMKP-Zerstörer Stellar Regent Sabotage verübt worden, hatte keinerlei Maßnahmen nach sich gezogen. Die Anfrage des Sicherheitsdienstes nach Instruktionen bezüglich Morn Hylands war ignoriert worden.
Was macht ihn denn zu jemand besonderem?
Darauf wußte Milos keine Antwort. Angus Thermopyle war nicht mehr oder weniger, als es schon immer mit ihm auf sich gehabt hatte. Er hatte seinen Wert wegen seiner ihm zugeschriebenen Kenntnisse über Raumpiraterie und Schmuggel, Schwarzwerften, über Händler, die geraubtes Erz und entwendete Versorgungsgüter in enormen Quantitäten verschieben konnten, und sogar über den Bannkosmos. An ihm war nichts gewöhnlicher oder ungewöhnlicher als sonst.
Was also hat sich geändert? Ob das VMKP-HQ von vornherein darauf abgezielt hat? Ist bloß noch auf die Genehmigung gewartet worden? Etwas anderes kann ich mir auch nicht vorstellen, antwortete der Stellvertretende Leiter des Stationssicherheitsdienstes. Zweifellos mußte eine Veränderung darin gesehen werden, daß es jetzt für die eingegangene Weisung eine gesetzliche Grundlage gab. Die kürzliche Verabschiedung des Polizeilichen Autorisierungsgesetzes sprach der Vereinigte-Montan-Kombinate-Polizei die Zuständigkeit für den gesamten Human-Kosmos zu, auch die Oberhoheit über die separaten Sicherheitsdienstorganisationen sämtlicher einzelner Weltraumstationen oder Unternehmen. Bis dahin war der Sicherheitsdienst der KombiMontan-Station gegenüber der VMKP zu nicht mehr als zur Kooperation verpflichtet gewesen. Jetzt konnte Hashi Lebwohl – oder jeder andere VMKP-Direktor – die kryogenische Einkapselung so vieler Häftlinge verlangen, wie ihm vorschwebte.
Leider erhellte die Verabschiedung des Autorisierungsgesetzes nicht im geringsten die Gründe für das Interesse des VMKP-HQ an speziell diesem einen Häftling.
Na gut. Also wollte man ihn von Anfang an haben. Es fehlte nur das Recht zum Anfordern. Aber warum soll er eingefroren werden? Weshalb müssen die Kosten für die kryogenische Einkapselung anfallen? Wieso können wir ihm nicht einfach Ketten anlegen und dem nächsten Raumschiff übergeben, das zufällig in Richtung Erde fliegt?
Diese Fragen verursachten Milos Magenbeschwerden; sie streiften Dinge zu nahe, die er eigentlich nicht hätte wissen dürfen. Ratlos kratzte er sich auf der Stirnglatze und griff nach seinem Päckchen Niks.
Um ihm maximalen Schutz zu gewähren? überlegte er.
Warum? Herrje, wem sollte es wichtig sein, ausgerechnet jemanden wie Angus Thermopyle besonders gut zu beschützen?
Darauf fiel Milos keine klare Antwort ein. Er dachte nochmals nach.
Zu Transportzwecken?
Weshalb denn derartig aufwendig? Mit Ketten und ein paar Aufsichtsvorkehrungen könnten man ihn im Human-Kosmos wie Frachtgut überall hinbefördern. Das wäre genauso sicher wie Eisbein aus ihm zu machen.
Mehrheitlich beschäftigten die Männer und Frauen, mit denen Milos über den Vorgang sprach, sich mit diesem Aspekt. Der Sicherheitsdienstchef der KombiMontan-Station hatte allerdings mehr Recht als sie, eine Erklärung zu verlangen.
»Warum? Warum soll er eingefroren werden?«
Weil er das Empfinden hatte, ihm bliebe keine Wahl, riskierte Milos es, ein klein wenig ehrlich zu sein. »Um dafür zu sorgen, daß er schweigt?« meinte er, indem er sich insgeheim wand. »Zu verhindern, daß er bei uns auspackt? Das VMKP-HQ dürfte sich darüber freuen, daß ’s uns nicht gelungen ist, ihn zum Plaudern zu bringen. Dort trauen sie uns nicht. Man will nicht, daß wir erfahren, was er uns verraten könnte.«
Zu Milos’ Erleichterung hatte sein Vorgesetzter unterdessen die gleiche Schlüsse gezogen. »Bei allen Schwarzen Löchern, so was lassen wir uns nicht bieten!« schimpfte sein Chef bitterböse. »Der Saukerl hat uns hier in diesem Gebiet das Leben schwergemacht, so weit ich mich zurückerinnern kann. Er hat derartig viele Verbrechen begangen und ist dafür
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