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Amnion 2: Verbotenes Wissen

Amnion 2: Verbotenes Wissen

Titel: Amnion 2: Verbotenes Wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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brannten darauf, diese Schlappe zu ahnden. Und die Schmerzen peinigten Angus um so stärker, als er wußte, man würde ihm keine zweite Chance lassen. Nicht einmal tödlich gelangweilte Wärter fielen nochmals auf seine Tricks herein.
    Andererseits hatte seine erste Vernehmungssitzung nach dem Fluchtversuch den Vorzug, seinen Verdacht in bezug auf Milos Taverner zu bestätigen. Die Tatsache, daß man ihn nicht wegen Totschlags an dem Wärter anklagte, bewies ihm, daß er noch immer selbst Druck ausüben konnte. Wenn es sein mußte, wollte er mit Taverner um sein Leben feilschen.
    Allem zum Trotz, was man ihm bis dahin auf der KombiMontan-Station angetan hatte, war sein Selbstbehauptungswille ungebrochen.
    Schließlich gingen die Schläge, Demütigungen und Drogenbehandlungen auf das vorherige Maß zurück. Als man sie später erneut verstärkte, wußte er, wie er die Veränderung zu deuten hatte. Deshalb verlegte er sich wieder auf die Pose der Gleichgültigkeit, der Selbstaufgabe. Er ließ sich abmagern und schwächer werden, als hätte er alle Neigung zur Anteilnahme verloren, und es blieb ihm einerlei, ob man ihm glaubte, oder nicht. Das zählte für ihn nicht mehr. Er schonte ganz einfach nur noch seine Kräfte.
    Schmerz war etwas, das man seinem Körper zufügte; dessen Kräfte jedoch bedeuteten eine Funktion seines Geistes. Er konnte die Wärter nicht daran hindern, ihm Schmerzen zu verursachen, aber er vermochte die Wirkungen der Prügel und der Drogen abschwächen. Durch schiere Willenskraft zog er sich so weit in sich selbst zurück, daß sein Gehirn woanders als der Rest seines Körpers zu existieren schien. Es verdroß ihn nicht, an Gewicht zu verlieren oder an Muskelschwund zu leiden. Sollte sein körperliches Ich verfallen: Nie hatte er aufgerechnet, was es ihn kostete, zu überleben. Eben darum, weil er entschlossen war zum Überleben, riskierte er es, so schwach zu werden, daß er sterben mochte.
    In Wirklichkeit jedoch hatte Angus Thermopyle sich noch nie mit Selbstmord abgegeben, niemals in seinem ganzen Leben. Er hatte sich schon mancherlei Furchtbares auferlegt, von dem einiges mit seinem Tod hätte enden können; aber immer war es geschehen, um zu überleben. Während der gesamten Zeitspanne, in der er auf der KombiMontan-Station in Haft saß, hatte er kein einziges Mal daran gedacht, aus dem Leben zu scheiden.
    Später wünschte er sich, er hätte diese Alternative ernsthaft erwogen.
    Niemand sagte ihm, was ihm bevorstand. Im Anwachsen der Züchtigungen hatte er die einzige vorherige Andeutung seines nahen Unheils – bis zu dem Tag, an dem Milos Taverner ihn in der Zelle besuchte. Das war schon für sich eine Überraschung. Angus hatte Taverner bislang nur im Vernehmungszimmer zu sehen bekommen; der Stellvertreter des Sicherheitsdienstchefs galt als zu ordentlicher, reinlicher Mensch, als daß er sonderlichen Geschmack an dem Zustand gefunden hätte, in dem die Wärter Angus im großen und ganzen beließen – beziehungsweise in dem Angus selbst sich hielt. Mit Ausnahme seiner nikotingebräunten Finger sah Taverner derartig adrett und piekfein aus, daß Angus ihn am liebsten spaßeshalber vollgekotzt hätte.
    Allerdings bereitete Taverners unerwarteter Besuch Angus eine geringere Überraschung als die Tatsache, daß der Stellvertretende Sicherheitsdienstleiter nicht allein aufkreuzte.
    Ihn begleitete eine Frau.
    Sie war eine große, gutaussehende, hagere Frau mit grauen Strähnen im pechschwarzen Haar, einem Mund, der von Kompromißlosigkeit sprach, und glutvollen Augen. Die Art und Weise, wie sie sich bewegte, ließ für Angus’ Begriff keinerlei Zweifel daran zu, daß sie es körperlich jederzeit mit ihm aufnehmen könnte: Schon die geringfügigen Regungen, wenn sie die Finger krümmte, bezeugten Geschmeidigkeit und Anspannung, eine zwischen Lockerheit und Gewaltpotential austarierte Bereitschaft, eine Balance, die sie nur durch Jahre des Trainings erworben haben konnte. An der Hüfte führte sie eine Schußwaffe, eine schlankere, viel leistungsfähigere Version der Impacter-Pistole, die Angus bei seiner Flucht benutzt hatte. Der Blick der Besucherin vermittelte den Eindruck, sie könnte alles sehen, ohne die Augen hin- und herzubewegen. Obwohl sie Autorität ausstrahlte, trug sie nichts Auffälligeres als eine simple, blaue Bordmontur. Dem Kleidungsstück fehlten alle Ornamente und Insignien; lediglich auf den beiden Oberarmen sah man ein ovales Abzeichen: das für die VMKP charakteristische

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