Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
einhundertfünfzig Jahren der Habgier und des Größenwahns hatte der Drache vorauszuplanen gelernt.
    Er erhielt ohne Zweifel eine Kopie der durch Warden Dios an die Rächer ergangenen Befehle.
    Schon bei diesem Gedanken hätte Warden am liebsten Hashi Lebwohl den Kopf abgerissen.
    Seine Aufgebrachtheit hatte kein anderes Ventil.
    Dios mißachtete den Gruß der Dock-Sicherheitskräfte und die eindringlichen Bitten von Kommu-Techs um Aufmerksamkeit – zur Zeit erachtete die Kommunikationsabteilung alles als dringlich –, strebte durch die Korridore seiner Domäne, bis er zu dem für das Gespräch mit Hashi Lebwohl ausgesuchten Büro gelangte.
    Dort wartete der DA-Direktor schon auf ihn. Sein Gesicht trug ein verschwommenes, leutseliges Lächeln zur Schau, als hätte er soeben mit den Wachen vor dem Büro ein paar Späßchen ausgetauscht. Im Gegensatz dazu hatten die Wachen Mienen der Ratlosigkeit und des Unbehagens aufgesetzt; ihre Erleichterung war in Wardens IR-Sicht, als sie vor ihm salutierten, ganz offenkundig. Allem Anschein nach konnten sie mit Hashi Lebwohls Humor nichts anfangen.
    »Polizeipräsident Dios…«
    Lebwohls uralte, völlig ungepflegte Brille schien den Blick seiner blauen Augen zu brechen, alles zu verschleiern, was er anschaute; aber vielleicht verbarg sich dahinter ein Trick, um zu erreichen, daß andere Leute ihm nur ansahen, was sie sehen sollten. Ganz charakteristisch für ihn war sein Laborkittel, der wirkte, als hätte er ihn aus einem Mülleimer geborgen und anschließend wochenlang darin geschlafen. Seinen altmodischen Schuhen baumelten die Schnürsenkel nach: es war ein Wunder, daß er gehen konnte, ohne zu stolpern.
    »Hinein«, raunzte Warden ihn grob an, als er die Tür aufstieß. Ohne Hashi Lebwohl den Vortritt zu gewähren, stapfte er ins Büro, umrundete den Schreibtisch, nahm im Sessel Platz.
    Hashi Lebwohl bummelte nicht. Er folgte Warden ins Büro, schloß die Tür. Während Dios die Tür elektronisch verriegelte und die Abschirmsysteme aktivierte, kam Lebwohl zum Schreibtisch gewieselt, blieb davor stehen. Trotz seines selbstsicheren Gehabes und seiner äußeren Erscheinung, die an einen schlampigen Gelehrten erinnerte, vermittelte irgend etwas am Zucken der langen Finger und am trüben Glanz der Brillengläser den Eindruck, daß er ahnte, in Schwierigkeiten zu stecken.
    »Aus der Herkunft Ihrer Blitz-Benachrichtigung folgere ich«, sagte er, als hätte er die Absicht, gegen Wutausbrüche Dios’ vorzubeugen, »daß Sie gerade von einer Visite in der Drachenhöhle kommen. Im VMKP-HQ kursieren schon Gerüchte, die mir diesen Rückschluß bestätigen. Und aus Ihrem finsteren Blick leite ich den Schluß ab, daß die Begegnung nicht erfreulich verlaufen ist. ›Ich weiß einen schlimmen Wurm‹« – diesen Satz äußerte er theatralisch, als ob er Dichtung zitierte –, »›der würgt’ und schlang schon viel…‹ Ich versichere Sie meines Mitgefühls.«
    Mit einem Schnauben bleckte Warden Dios die Zähne. »Keine faulen Witze, Lebwohl«, warnte er den DA-Direktor. »Ersparen Sie mir Ihre üblichen Faxen. Ja, ich komme soeben von einer Unterredung mit meinem Chef. Und sie ist tatsächlich unschön abgelaufen. Und nun will ich dafür den Grund aufdecken.«
    Hashi Lebwohl erlaubte sich ein amüsiertes Stirnrunzeln. Er wies auf einen Sessel. »Darf ich mich in diesem Fall erst einmal setzen?« fragte er. »Nein.«
    Lebwohls Augen hinter den Brillengläsern weiteten sich. »Ach so. Anscheinend gehen Sie davon aus, ich sei dafür verantwortlich, daß Ihre Unterredung mit Holt Fasner schlecht verlaufen ist. Darf ich fragen, wie das möglich sein soll?«
    »Das möchte ich von Ihnen erfahren.«
    Hashi Lebwohl hielt Dios’ Blick stand und deutete mit einem knappen Achselzucken Unverständnis an. »Wie denn? Ich weiß nicht, welches Thema Sie zu diskutieren wünschen.«
    »Ich gebe Ihnen ’n Tip.« Auf der Tischplatte ballte Warden die Hände zu Fäusten. »Informieren Sie mich über Freistaat Eden.«
    Lebwohl blinzelte hinter den trüben Brillengläsern. Anzeichen der Anspannung verliehen seiner Aura schärfere Umrisse. Allerdings mochte schlichte Verblüffung die Ursache sein. »›Freistaat Eden‹, was ist das? Meines Wissens existiert kein solcher Freistaat.«
    Warden verkniff sich einen Fluch. »Hashi, hören Sie mir gut zu«, sagte er leise und mit äußerster Zurückhaltung, um nicht gleich ins Toben zu verfallen. »Es ist jetzt lange genug gegangen. Woher stammen die

Weitere Kostenlose Bücher