Amnion 4: Chaos und Ordnung
für Hashi ohne Belang. Es hatte nur insofern Bedeutung, als sie sich wegen ihrer Herkunft einer perfektionistischen Penibilität befleißigte. Sprechen wollte er sie, weil sie die Hardware-Technikerin war, die er Mandich, dem Sicherheitschef der Operativen Abteilung, zugewiesen hatte, um ihm bei der Aufklärung des Mords an Godsen Frik behilflich zu sein.
Hashi hätte nicht sagen können, welchen Zusammenhang zwischen Kapitän Scroyles Bericht und Godsens Ermordung er sich einbildete oder aufzudecken hoffte. Er lenkte sich schlichtweg ab; gestand seiner Intuition die Zeit und Muße zu, die sie brauchte, um sich in ihrer Funktionstüchtigkeit zu bewähren. So hielt er sich in der Verfassung fruchtbarer geistiger Denktätigkeit, in der er die Fähigkeit hatte, die unwahrscheinlichsten Zusammenhänge zu entdecken.
Lane Harbinger fand sich auf seine Order ziemlich rasch ein. Als der Interkom-Apparat summte und sie angemeldet wurde, schob sich Hashi die Brille bis vorn auf die Nasenspitze, zerzauste sich das Haar und vergewisserte sich, daß ihm der Laborkittel zerknittert um die Schultern hing. Dann befahl er der Datentechnikerin, die als seine Rezeptionistin fungierte, Lane Harbinger einzulassen.
Sie war eine kleine, hyperaktive Frau, die zierlich gewirkt hätte, wäre sie jemals ruhig zu erleben gewesen. So wie zahlreiche Leute, die in der Datenakquisition arbeiteten, war sie abhängig von Niks, Hype, Koffein sowie anderen verbreiteten Stimulanzien; doch soweit Hashi ihr etwas anmerkte, harten diese Mittel eine besänftigende Wirkung auf ihre organische Verkrampftheit. Er vermutete, daß ihre überpenible Genauigkeit für sie ebenfalls eine Art von Beruhigungsmittel abgab; sie damit inneren Druck kompensierte, der sie sonst handlungsunfähig gemacht hätte.
Mutmaßlich zählte sie überdies zu den Frauen, die ununterbrochen quasselten. Allerdings war sie so klug, sich in Hashi Lebwohls Gegenwart zu beherrschen.
»Sie wollten mit mir reden«, konstatierte sie gleich beim Eintreten, als wäre dieser Satz nur der winzige Schnipsel eines Wortschwalls, der ihr schon seit einiger Zeit durch den Kopf kreiste.
Über die Brille hinweg sah Hashi sie an und lächelte freundlich. »Ja, Lane. Vielen Dank, daß Sie sofort gekommen sind.« Zum Hinsetzen forderte er sie nicht auf: er wußte, daß sie Bewegung brauchte, um sich konzentrieren zu können. Sogar die präziseste Laborarbeit verrichtete sie mit einem ganzen Komplex von äußerlichen Tics und Gestikulationen und inmitten einer Wolke blauen Dunstes. Also ließ er sie sich eine Nik anzünden und vor seinem Schreibtisch auf und ab gehen, während sie auf seine Eröffnungen wartete.
»Ich wüßte gerne«, sagte er, während er sie durch den Qualm musterte, den ihre Raucherei erzeugte, »wie Sie mit den Ermittlungen vorankommen. Haben Sie über den Kaze, der das vorzeitige Ableben unseres guten Godsen Frik herbeigeführt hat, inzwischen irgend etwas herausgefunden?«
»Es ist noch zu früh, um sicher zu sein«, entgegnete sie, als hielte nur der Damm ihrer Willenskraft einen Sturzbach der Redseligkeit zurück.
»Sehen Sie momentan mal vom Sichersein ab«, antwortete Hashi liebenswürdig. »Schildern Sie mir ganz einfach, wo Sie gegenwärtig mit den Ermittlungen stehen.«
»Gegenwärtig. Gut.« Lane schaute ihn, während sie auf und ab stapfte, nicht an. Ihr Blick schweifte über die Wände, als wären sie nicht die Begrenzungen seines Büros, sondern verkörperten die Grenzen ihres Wissens. »Daß Sie mich zum OA-Sicherheitsdienst geschickt haben, war höchst sinnvoll. Die dortigen Mitarbeiter sind hochgradig motiviert und außerordentlich umsichtig, so wie sie’s verstehen, aber sie haben keine Ahnung, was Umsicht wirklich bedeutet. Sie sollten sich darauf beschränken, Leute zu erschießen, statt sich mit dieser Art von Nachforschungen zu befassen. Fünf Minuten ohne mich, und jede Aufklärung wäre von vornherein verpfuscht worden. Möglicherweise wäre sie sowieso unmöglich gewesen. Die Bombe war nicht groß, Kaze befördern nie große Bomben, in einem menschlichen Oberkörper gibt’s nur soundsoviel freien Platz, selbst wenn man von dem Kaze nicht erwartet, daß er mehr als bloß noch ’n paar Stunden aktiv bleibt, aber es war hochbrisanter Sprengstoff, ich meine, wirklich hochbrisantes Zeug. Eigentlich gab’s keinen Grund, wieso seine Id-Plakette und der Dienstausweis nicht in dermaßen winzigkleine Fetzchen zerrissen worden sein sollten, daß sie
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