Amnion 4: Chaos und Ordnung
Dennoch rettete ihn Morns Nahkampfausbildung. Rein reflexmäßig warf er die Arme kräftig genug empor, um Nicks Fausthieb abzublocken.
Im nächsten Augenblick kollidierte Nick mit ihm, beide torkelten gegen das Schott, als Sib mit aller Kraft und vollem Gewicht Nick ins Kreuz sprang.
Sib hatte zu oft als Nichtskönner dagestanden, war zu häufig durch die eigene Ängstlichkeit beschämt worden. Jetzt verwandelte ihn die Verzweiflung. Seine Augen funkelten, als er sich abstützte und Nick eins ums andere Mal die Ellbogen in den Rücken rammte, das Drehmoment seiner Schultern und die Kraft der Arme wie Geschosse gegen Nicks Rippen und Nieren richtete.
Nick brüllte auf vor Schmerz und stieß sich von Davies ab, vollführte eine Wendung, um Sibs Ellbogen zu entgehen.
»Angus!« heulte er. »Angus!«
Morn schubste, als geriete sie in äußerste Raserei, Vector aus dem Weg, stürzte sich kopfüber auf Nick.
Auch das wäre schiefgegangen, hätte Vector ihr nicht geholfen. Trotz seiner durch alte Gliederbeschwerden bedingten Unbeweglichkeit stemmte er sich mit Armen und Beinen gegen das Schott, so daß Morn den erforderlichen Angelpunkt fand, um sich auf die richtige Weise in Nicks Richtung zu schwingen.
Sie hechtete in Nicks Rücken, und er fiel aufs Gesicht.
Ihr Körpergewicht reichte nicht aus, um ihn niederzudrücken, sie war ihm physisch nicht gewachsen. Darum versuchte sie gar nicht erst, ihn zu überwältigen. Als er sich unter ihr zusammenkrümmte, um sie abzuschütteln, krallte sie die freie Hand in den Kragen seiner Bordmonrur und bohrte ihm die Pistolenmündung ins Ohr.
»Halt, sage ich! So schieß ich bestimmt nicht daneben. Du kannst gar nicht schnell genug sein, um einen Fehlschuß zu verursachen. Wenn du nicht stillhältst, brenne ich dir ein Loch mitten ins Gehirn!«
Sie wußte nicht, ob er ihr glaubte. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie selbst sich glauben sollte. Trotzdem zögerte er…
In der folgenden Sekunde drosch Davies ihm den Griff der Impacter-Pistole wie eine Keule auf den Schädel.
Nicks Gestalt zuckte konvulsivisch, ehe er erschlaffte. Ein leises Ächzen entfuhr ihm. »Angus, du Schweinehund…«
Dann schwand ihm die Besinnung.
Am Hinterkopf sickerte ihm Blut durchs Haar. Weiteres Blut rötete unter seinem Gesicht das Deck. Dennoch atmete er noch schwach, geradeso wie jemand, der sich nicht aufs Sterben verstand.
»Scheiße«, japste Davies irgendwo über Morn. »Tut mir leid… Es scheint so, als wäre ich einfach unfähig, mit ihm fertig zu werden. Jedesmal wenn ich mich mit ihm anlege, macht er irgend was Unerwartetes.«
Langsam senkte Morn den Kopf, verschnaufte für einen Moment über Nicks Schulterblättern, überließ sich dem plötzlichen Schwächegefühl der Erleichterung. Angesichts ihrer Haltung hätte man denken können, sie bedauerte ihn; doch in Wirklichkeit war sie mit einemmal derartig froh, daß sie ihre Schadenfreude kaum verhehlen konnte.
»Sei nicht so streng mit dir«, meinte Vector gedämpft zu Davies. Auch Vector sah man das Aufatmen deutlich an. »Was mich angeht, sind deine Leistungen erstaunlich. Sobald ich den Fehler mache zu glauben, ihr Hylands kennt Grenzen, stellt ihr so etwas auf. Wie habt ihr…?« Mit einem lauten Krächzen befreite er seine Lungen von gestauter Luft. »Ihr verschlagt mir regelrecht den Atem. Wie habt ihr Angus aus der Quere gekriegt? Ich dachte, mit ihm sei nicht mehr zu reden. Von seiner augenscheinlichen Unbezwingbarkeit ganz zu schweigen.«
»Könntest du wohl da hinrücken?« ertönte dicht an Morns Kopf Sibs Stimme. »Ich helfe dir. Wenn du von ihm steigst, sorge ich dafür, daß wir das ganze Affentheater nicht noch einmal durchstehen müssen.«
Nicht noch einmal…? Mühsam blickte Morn auf und sah, daß Sib eine Rolle Isolierband in den Händen hatte.
»Das Zeug ist stark wie Flexistahl«, versicherte er gelassen. »Wenn ich ihn damit einwickle, haben wir vielleicht seinetwegen keine Sorgen mehr.«
Vector lachte, seine Belustigung klang klar und heiter wie blauer Himmel. »Sib, du Irrer, hast du immer ’ne Rolle Isolierband bei dir?«
Sib wurde rot. »Ich hab sie in die Tasche gesteckt, nachdem Nick das Kommando übers Schiff an sich gerissen hatte. Weil ich nichts finden konnte, was nach ’ner Waffe aussah. Da war eben das Isolierband mein bester Einfall.« Kurz erwiderte er Morns Blick, ehe er ihn auf Nick heftete. »Auf diese Gelegenheit habe ich lange gehofft.«
Morn rang sich ein Lächeln ab. »Dann
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