Amnion 4: Chaos und Ordnung
Brücken-Lautsprecher an.
»Ich habe dich gewarnt«, sagte Succorso so hohl und unheilträchtig wie eine Stimme aus dem Grab. »Mit Sorus rechne ich ab.«
Gütiger Himmel!
Diesmal bereitete es den Kommunikationsgeräten keine Mühe, die Quelle zu lokalisieren. »Guter Gott!« kreischte die Frau an der Kontrollkonsole in unwillkürlichem Erschrecken. »Er sitzt direkt auf unserem Schiff.«
Das Scanning war auf Fernpeilung justiert, darin bestand das Problem – die Instrumente forschten nur nach größeren Objekten. Direkt auf dem Schiff. Diese absonderliche Resonanz der Enge in Succorsos Stimme: beinahe hatte Sorus die Ursache erkannt. Natürlich. Sie hätte die Ursache sofort begreifen müssen.
Aber wie hätte sie oder irgend jemand anderes erraten können, daß Succorso irrsinnig genug war für einen derartigen Handstreich?
»Kapitänin«, rief die Scanning-Hauptoperatorin, »wir sind getroffen worden. Laserbeschuß.«
»Kann ich bestätigen«, schnauzte der Mann an der Datensysteme-Kontrollkonsole. »Wir werden angegriffen. Ich melde Beschädigungen.«
Welche Beschädigungen? Wo waren sie getroffen worden?
Eines nach dem anderen.
Sorus’ Stimme durchdrang die Furcht und Bestürzung der Brücken-Crew. »Wo bleibt die visuelle Erfassung?«
»Kommt, Kapitänin«, ächzte die Scanninganlagen-Hauptoperatorin.
Eine Sekunde später teilte sich der Hauptmonitor in Bilder, indem drei externe Kameras der Sturmvogel auf den Ort der Schadensverursachung einschwenkten. Aufgewühlt von einem wüsten Gefühlsgemisch – Betroffenheit, Mulmigkeit, Wut –, sah Sorus Gestalten in EA-Anzügen.
Nur zwei: zwei einsame Gestalten inmitten des ausgedehnten Asteroidenschwarms attackierten das Raumschiff, als ob sie sich einbildeten, sie beide könnten es bezwingen. Und ein Angreifer war schon unschädlich, fraglos tot: einen gewichtslosen Schwall Blut an der Stelle, wo die Helmscheibe gewesen war, trieb er soeben vom Rumpf ab.
Ein Mann allein griff die Sturmvogel an. Ein Irrer, der gerade seinen einzigen Begleiter verloren oder selbst getötet hatte.
Allerdings wußte er genau, was er tat.
Magnetisch haftete er auf dem Metall und stand vor der Waffenkuppel des Superlicht-Protonengeschützes. In den Armen hatte er ein Lasergewehr: ein schweres Modell. Im Scheinwerferlicht zeichnete er sich als gräßliche, verhängnisvolle Erscheinung gegen die Dunkelheit ab, während er unentwegt auf den Geschützsockel feuerte.
»Scheiße, was gibt denn das?« fragte der Steuermann, als traute er seinen Augen nicht; als verstünde er nicht, was er sah.
Der Waffensysteme-Hauptoperator wußte die Antwort. »Kapitänin«, meldete der Mann konsterniert, »die Kontrolle über das Protonengeschütz ist futsch. Ich kann es nicht mehr einsetzen. Sie ist unbrauchbar gemacht worden.«
»Muß ich bestätigen«, ergänzte ihn der Datensysteme-Hauptoperator. »Er hat die Stromkabel durchgebrannt. Jetzt zerschmilzt er die Aufhängung. Er hat schon mehr Schaden angerichtet, als wir mit eigenen Mitteln reparieren können. Wir müssen ’ne Werft anfliegen.«
Plötzlich drehte er seine Kontrollkonsole in Sorus’ Richtung. »Kapitänin«, sagte er heiser, »das ist ’ne höllisch gefährliche Laserknarre. In dreißig Sekunden brennt sich der Strahl so tief in den Rumpf, daß er die Innenwandung durchsengt.«
Als hätte die Gestalt im EA-Anzug – Nick Succorso – ein Stichwort erhalten, stellte sie den Beschuß ein. Succorso hob den Kopf. Scheinwerferlicht gleißte auf seiner Helmscheibe, während er sich nach allen Seiten umblickte.
Rasch zerschoß er mit einem dünnen Strahl rubinroten Lichts eine der Kameras. Die Bilder auf dem Hauptmonitor zerstoben, reduzierten sich von drei auf zwei.
So mußte es auch der zuerst ausgefallenen Kamera ergangen sein.
Nahezu gemächlich wandte sich Succorso der nächsten Kamera zu. »Gib gut acht, du Drecksau«, sagte er, als wäre er sich ganz sicher, daß Sorus ihn sehen konnte. »Gleich bist du dran.«
Jetzt ist’s Zeit zur Revanche.
Eines seiner Abbilder verflüchtigte sich in Rotglut. Nur eines blieb übrig.
Er hat schon mehr Schaden angerichtet, als wir mit eigenen Mitteln reparieren können.
Wieder kannte Sorus kein Zaudern. Sie hatte so viele Jahre hindurch überlebt, weil sie Entscheidungen zu treffen verstand, wenn sie fällig waren, und für den richtigen Augenblick hatte sie ein ausgeprägtes Gespür.
Ihre Finger hämmerten Befehle in die Kommandokonsole und sprengten die komplette
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