Amnion 4: Chaos und Ordnung
anlegte.
In einem Aufleuchten kohärenten Lichts blieb Sib Mackern vor allen Weiterungen verschont.
SORUS
Vor der durch die Vernichtung des Schwarzlabors verursachten Stoßwelle brauste Sorus Chatelaine mit Deaner Beckmanns Blut an den Händen und mit der Absicht zu neuem Töten durchs Weltall.
Der Schuß aus dem Superlicht-Protonengeschütz und die Detonation des Schwarzlabor-Fusionsgenerators hatten in ihr einen Nachhall hinterlassen, als wäre in ihrem Innern eine Kettenreaktion entstanden, die an Hitze und Gefräßigkeit jener glich, die das Geschütz hervorgerufen hatte. Nach diesem Gemetzel gab es kein Zurück mehr: sie konnte nur noch nach vorn blicken. Ihre Handlungen ähnelten Atomen, die sich spalteten und bei jeder Spaltung enormere Gewalten freisetzten.
Während die Stoßwelle sich am statisch aufgeladenen Gestein des Asteroidenschwarms brach und verlief, bremste die Sturmvogel ihr halsbrecherisches Dahinjagen ab und nahm die Suche nach der Emissionsfährte der Posaune auf. Hinsichtlich dieser Aufgabe vertraute Sorus ihrer Scanninginstrumente-Hauptoperatorin. Sie persönlich hatte ohnehin keine Möglichkeit, um ihr bei der Suche behilflich zu sein. Obwohl ihre Fassade den Eindruck vermittelte, ihre Aufmerksamkeit gälte den Vorgängen auf der Brücke – und dem Mutierten neben dem Kommandosessel –, befaßte sie sich insgeheim mit anderen Angelegenheiten.
Von Gewaltakt zu Gewaltakt…
Nicht Nick Succorso war derjenige, nach dessen Tod sie in Wahrheit lechzte. Vielmehr war es Milos Taverner. Was sie betraf, sah sie in Succorso einen unwichtigen Hampelmann. Als er vor etlichen Jahren von ihr an der Nase herumgeführt, hereingelegt und schließlich im Stich gelassen worden war, hatte es für sie tatsächlich keinerlei Rolle gespielt, ob er lebte oder starb; und auch heute blieb es ihr einerlei. Im Gegensatz dazu hätte keine andere Tat ihr soviel gehässige Freude bereitet wie die Liquidierung des Halb-Amnioni. Und nicht allein, weil er sich an Bord ihres Raumschiffs aufhielt, sie überwachte, ständig geneigt war, sie zu kritisieren; nicht nur, weil seine Einschätzung ihrer Person darüber bestimmte, ob sie die Unzufriedenheit ihrer gemeinsamen Herren überlebte oder mit Sanktionen rechnen mußte.
Sie hätte ihn gleichfalls zu gerne umgebracht, weil er sie zur Vernichtung des Schwarzlabors genötigt hatte. Nicht einmal in ihren Alpträumen – den einzigen Träumen, die ihr kamen – hatte sie einen derartigen Massenmord vorausgeahnt. Sie war von ihm dazu gezwungen worden, Menschen zu töten, die sie gekannt und gelegentlich respektiert hatte; Illegale wie sie selbst.
Soviel Morde. Jedes neue Glied in der Kettenreaktion der Gewalt zermarterte ihr das Herz. Ihr Dasein ekelte sie an. Nur das Erfordernis immer neuer Gewalttaten hielt sie am Leben…
Auf irgend etwas anderes durfte sie nicht mehr hoffen.
Man verlangte von ihr, daß sie die Posaune irgendwie kaperte: soviel war ihr klar. Jedes andere Resultat der Hetzjagd wäre für die Amnion unbefriedigend. Dummerweise hegte Sorus die Überzeugung, daß diese Anforderung sich nicht erfüllen ließ. Trotz der List, für die sie Ciro Vasaczk eingespannt hatte, konnte sie an nichts mehr denken als Tod.
Sollten die Amnion jedoch lediglich unzufrieden sein, raubten sie ihr vielleicht nicht das Menschsein. Sie harten für sie eine zu vielseitige Verwendung.
Dann waren andere Konsequenzen vorstellbar.
Falls sie das Verhängnis noch eine Zeitlang aufschieben konnte…
»Ich habe sie, Kapitänin«, meldete plötzlich die Scanninganlagen-Hauptoperatorin. »Es ist ohne jeden Zweifel die Emissionssignatur der Posaune.«
»Gut«, antwortete Sorus. »Vergleiche sie mit der Flugroute, die uns Retledge übermittelt hat. Projiziere sämtliche Abweichungen auf den Monitor, damit wir sie sehen können. Und leite sie der Steuerung zu. Steuermann, es ist jetzt soweit, daß wir ernsthaft darangehen müssen, das Raumschiff einzuholen.«
Eigentlich waren Befehle jetzt überflüssig. Ihre Crew wußte längst, was es zu tun galt. Sie gab ausschließlich Anweisungen, um Taverner zu verdeutlichen, daß sie seinen Willen entschlossen ausführte. »Inzwischen wird vom Scanning eine Geschwindigkeitsschätzung erhältlich sein. Wir müssen schneller fliegen. Einen Großteil des Abstands haben wir schon hinter uns gebracht. Nun kommt’s darauf an, den Rest zurückzulegen. Wenn Ciro Vasaczk erledigt hat, womit ich ihn beauftragt habe« – in ihrer Stimme klang
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