Amnion 4: Chaos und Ordnung
Geschützkuppel vom Rumpf der Sturmvogel.
In derselben Sekunde verglühte auch die letzte Kamera in einem Laserstrahl.
Ein kolossales ehernes Dröhnen hallte durch die Sturmvogel, als eine Aufreihung von Sprengsätzen gleichzeitig detonierte. Auf ihre Weise in der Wirkung so präzise wie Succorsos Laser, zerrissen die Explosionen Schrauben und Schweißnähte, lösten Stahlplatten, kappten Stromleitungen, schmolzen Drähte. Als das große Geschütz vom Rumpf geschleudert wurde, erbebte das gesamte Raumschiff wie ein verwundetes Tier.
Doch der Monitor blieb leer. Sorus bekam nicht zu sehen, ob die Explosionen Succorso zerfetzten; sie sah keinen verstümmelten Leib, aus dem Blut sprudelte. Vorstellen konnte sie es sich, aber gesehen hatte sie es nicht.
Erschütterungen grollten durch den Rumpf, während sich die Wucht der Detonationen verlief. Der Datensysteme-Hauptoperator brüllte in sein Mikrofon, schloß gegen die Gefahr der Dekompression etliche Schotts, beorderte Schadenbekämpfungsteams an kritische Punkte. Alle übrigen Mitglieder der Brücken-Crew glotzten Sorus an, als wäre sie genauso verrückt wie Nick Succorso.
Die Kommunikationsanlagen-Hauptoperatorin meldete, daß er nicht mehr funkte.
Diese Meldung reichte keineswegs aus, um Sorus zu beruhigen.
Aus Zorn, Fassungslosigkeit und Zerrüttung brannten ihr die Nerven wie von Laserfeuer, als sie zu Milos Taverner herumfuhr. Sie hatte vor, ihn irgendwann und irgendwie, sollte sich ihr je die Chance bieten, mitten ihn seine selbstgefällige, schwammige Fresse zu schießen.
»Blicken Sie durch, Taverner?« raunzte sie ihn an. »Ist Ihnen klar, was passiert ist? Er hat uns übern Tisch gezogen. Succorso hat uns reingelegt. Ich habe keine Ahnung, was ihm die Idee eingegeben hat, unser Raumschiff zu beschädigen sei sein Leben wert…« Nein, das war eine falsche Überlegung, eine so ernstzunehmende Beschädigung lohnte offensichtlich den Einsatz eines Menschenlebens, nur begriff Sorus nicht, weshalb er das eigene Leben aufs Spiel gesetzt hatte. »Aber auf alle Fälle hat er uns geleimt. Wir haben die ganze Zeit hindurch nach seiner Pfeife getanzt. Er hat uns Ciro Vasaczk, diesen jungen Burschen, regelrecht untergeschoben. Wir dachten, wir wären ihm über, aber er hat für uns ’n Köder ausgeworfen. Es findet keine Sabotage statt.
Falls die Posaune sich verhält, als hätte sie einen Defekt, wird’s bloß ein Trick sein, sonst nichts. Ohne das Superlicht-Protonengeschütz sind wir nur noch halb so gefährlich wie vor ein paar Minuten.«
Der Halb-Amnioni durchdachte seine Alien-Prioritäten. »Aber jetzt«, postulierte er, »ist Kapitän Succorso tot.«
»Nur weil er nicht ahnen konnte, daß ich die Geschützkuppel absprenge.« Ihre Maßnahme war beinahe so irrwitzig gewesen wie sein Vorgehen; fast ebenso von Verzweiflung diktiert. Und sie hatte nicht gesehen, ob die Explosion ihn erwischte… »Andernfalls beschösse er uns noch immer, und binnen dreißig Sekunden hätte er die Innenwandung durchlöchert gehabt. Dann wären wir in schlimmen Schwierigkeiten gewesen!«
Doch Taverner anzuschreien führte zu überhaupt nichts. Mit entschiedener Willensanstrengung bezähmte sie ihre Wut, überwand sie ihre Verstörung. »Wenn Sie wirklich mit der Stiller Horizont in Funkkontakt stehen«, sagte sie, »sollten Sie dafür sorgen, verdammt noch mal, daß sie rechtzeitig eintrifft, um uns zu unterstützen. Wir werden’s nötig haben.«
Taverners Augen konnte sie nicht sehen, der Winkel seiner Kopfhaltung jedoch machte ihr klar, daß er etwas von seinem merkwürdigen Apparat ablas.
»Es wird Unterstützung da sein, Kapitänin Chatelaine«, versicherte er mit ruhiger Stimme. »Stiller Horizont ist bereits ins Massif-5-System eingeflogen.«
Die Crewangehörigen an Datensysteme- und Scanningkonsole arbeiteten weiter, so gut sie es fertigbrachten. Sämtliche anderen Mitglieder der Brückencrew stierten ihn überrascht an. So etwas hatten sie nicht für möglich gehalten.
Langsam hob Milos Taverner den Kopf. »Ich habe dagegen argumentiert«, teilte er ihr aus Gründen mit, die sie nicht durchschaute. »Irgend etwas hier in mir« – mit frappierender, nachgerade rührend naiver Gebärde legte er die Hand auf die Brust – »warnt mich vor Gefahr. Menschen wie Nick Succorso und Angus Thermopyle verkörpern eine große Bedrohung. Allerdings zwingt uns der außerordentliche Ernst der Situation zur Hinnahme des Risikos. Die Defensiveinheit ist in spätestens einer
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