Amnion 4: Chaos und Ordnung
»Wer könnte hier sein, der uns kontaktieren will?«
Was, zum Teufel, ist denn jetzt los?
»Milos…«, setzte sie zu einer an den Halb-Amnioni gerichteten Frage an. Ist die Stiller Horizont schon da? Was unternimmt sie? Doch seine nichtssagende Miene bewog sie zum Schweigen. Er trug noch die Sonnenbrille, die sie ihm gegeben hatte, um seine Amnioni-Augen zu verbergen. Als sie ihn anschaute, erwiderte ein längliches, schwarzes Rechteck ihren Blick, unergründlich und unauslotbar wie das Hyperspatium.
»Die Funktätigkeit gilt nicht uns«, stellte die Frau an der Kommunikationskonsole eilends klar. »Allgemeine Ausstrahlung, wir haben sie nur zufällig aufgefangen. Jede zu empfangende Frequenz ist von mir für den Fall, daß irgend etwas Nützliches durchkommt, das uns hilft, abgesucht worden. Die nukleare Reaktion hinter uns hat das gesamte Funkspektrum neutralisiert. Aber jetzt ist’s damit vorbei.«
Allgemeine Ausstrahlung? Das ergab keinen Sinn. Wer sollte, wenn er bei normalem Verstand war, unter den gegenwärtigen Verhältnissen, solange die Vernichtung des Labors noch im Hintergrund gloste und waberte, in diesem Asteroidenschwarm eine allgemeine Funksendung ausstrahlen?
»Ursprung lokalisieren«, befahl Sorus.
»Tut mir leid, Kapitänin, hab ich schon versucht. Es war bloß ’ne kurze Sendung. Wir hatten keine Gelegenheit zum Triangulieren. Und sie enthielt keine Codes für Position, Uhrzeit, nichts dergleichen. Bloß ’ne Stimme war’s. Ich kann den Quadranten nennen, sonst nichts.«
Einen Moment lang kaute Sorus auf der Unterlippe. »Na gut«, antwortete sie. »Dann laß mal hören.«
»Aye, Kapitänin.« Die Kommunikationsanlagen-Hauptoperatorin tippte Tasten, lud den digitalisiert aufgezeichneten Funkspruch und schaltete die Lautsprecher ein.
Sofort trat auf der Brücke Stille ein. Niemand regte sich, niemand atmete.
»…zerschneiden, was?« drang eine Männerstimme aus der Dunkelheit des Weltalls. »Komm her, du Wildsau.«
Sie hatte einen seltsam hohlen Ton, durch den sie klang, als befände sich ihr Besitzer in engstem Raum. Dennoch hörte man sie geradezu unnatürlich deutlich. Eigentlich härten Entfernung und Statik sie stärker verzerren müssen.
»Noch ’n bißchen näher. Dann wirst du sehen, wie du dafür büßen mußt.« Die Stimme rührte an Sorus’ Gedächtnis. Fast erkannte sie sie…
»Jetzt ist’s Zeit zur Revanche.«
»Kapitänin Chatelaine«, sagte Milos Taverner, als wäre er schließlich doch dazu imstande, etwas Ähnliches wie Überraschung zu empfinden, »das ist Kapitän Succorso.«
Kaum hatte er es ausgesprochen, wußte Sorus, daß er recht hatte. Nick Succorso. Er mußte irgendwo nahebei sein – zu nah. Komm her, du Wildsau. Er hatte eine Falle vorbereitet und wollte sie hineinlocken.
Weshalb klang seine Stimme so hohl, so umgrenzt?
Noch ’n bißchen näher.
Der Grund hätte ihr ersichtlich sein müssen; sie sollte dazu fähig sein, ihn zu durchschauen. Aber sie hatte keine Zeit zum Nachdenken.
»Scanning, verdammt noch mal!« brauste sie auf. »Was geht da vor? Was ist zu orten?«
»Nichts, Kapitänin«, beteuerte die Frau an den Scanninggeräten aufgeregt. »Nichts außer Gestein. Ich messe die Partikelspur der Posaune, aber sie fliegt noch immer vor uns. Und irgend was anderes kann ich nicht erfassen. Wir sind hier weit und breit das einzige Raumschiff.«
Sorus kannte kein Zögern. »Waffensysteme, alles feuerbereit machen! Steuermann, zum Ausweichmanöver auf meinen Befehl einstellen! Taverner, Sie sollten sich lieber irgendwo sicheren Halt verschaffen. Es kann sein, daß wir gleich ziemlich wild umherkurven müssen.«
Taverner trat vor ihre Kommandokonsole und hielt sich mit einer Faust daran fest. Die andere Hand beließ er an den Kontrollen des FKZ-Apparats.
»Da ist einfach nichts«, beharrte die Scanning-Hauptoperatorin, starrte aus großen Augen auf die Sichtschirme.
Jetzt ist’s Zeit zur Revanche.
»Den Video-Aufnahmebereich verkleinern«, befahl Sorus in scharfem Ton. »Visuelle Erfassung der unmittelbaren Schiffsumgebung.« Mit dem Daumen aktivierte sie die Alarmsirenen des Raumschiffs.
»Fertig, Steuermann?«
»Scheiße!« entfuhr es der Scanning-Hauptoperatorin. »Kapitänin, gerade ist ’ne Kamera ausgefallen.«
»Visueller Rundblick!« schrie Sorus. »Zum Donnerwetter, ich will sehen, was da draußen ist!«
»Kapitänin!« zischte im selben Augenblick die Frau an den Kommunikationsanlagen und schaltete wieder die
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