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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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abzustützen, rammte er die Stiefelspitze unter einen Haltegriff, knickte ruckartig die Hüften ein, manövrierte mit Hilfe der Lenkdüsen. Mit einem letzten Schlingern, das Angus beinahe die Arme ausrenkte, sank die Granate neben das Raumschiff und bewegte sich nicht mehr.
    Elf Sekunden.
    Scheiße, allzu knapp! Und er war noch nicht fertig. Er mußte die Granate nach oben zurückbefördern, an den Sichthorizont; dann wieder die Materiekanone an sich bringen und in Position gehen.
    Irgendwo im trostlosen Kinderbett des EA-Anzugs mußte er die Kraft finden, um die Granate der Sturmvogel entgegenzuschleudern.
    Er hatte nicht genug Kraft. Niemand hatte genügend Kräfte für so etwas. Von der VMKP-DA war er für allerlei Anforderungen ausgestattet worden, aber nicht für derlei Kraftakte. Zum letztenmal im Leben waren Angus’ Hände und Füße an die Gitterstäbe gebunden; war er vollständig wehrlos. Überhaupt nichts, was er jemals tun könnte, reichte aus, um zu verhindern, daß Sorus Chatelaine und die übrigen Mieslinge im Asteroidenschwarm ihn zur Schnecke machten.
    »Angus, wir kriegen Gesellschaft.« Davies’ plötzlicher Zuruf schien Angus den Schädel zu spalten. Durch den Streß glich in seinen Ohren alles Hörbare scheußlichem Ohrensausen. »Von der Flanke.« Davies nannte Koordinaten, die nur Angus’ Interncomputer verstand. »Es fliegt schnell an. Es ist die Freistaat Eden. Die Emissionssignatur ist zu ähnlich, als daß es ’ne Täuschung sein könnte. Guter Gott, Angus! Was machen wir denn nun?«
    Der Verbündete der Sturmvogel. Hier. Schon da.
    Jetzt war es schlimmer, als im Kinderbett angebunden zu sein, ärger als Nadeln und Pein. Angus wollte schreien, aber er mußte zu angestrengt nach Luft japsen.
    Wie ein Wilder krallte er sich an Haltegriffe und Steigeisen, schwang sich zum Sichthorizont der Rumpfoberseite hinauf und spähte ins ruhelose Mitternachtsschwarz des Asteroidenschwarms.
    Eigentlich hätte es zu finster sein müssen, um etwas zu sehen. Das erratische Flimmern und Glimmen der Statik konnte die Dunkelheit nicht aufhellen. Aber in der Ferne gloste noch schwach die durch die Vernichtung des Schwarzlabors hervorgerufene Aurora borealis und verlieh manchen Asteroiden einen nekrösen, unheilvollen Glanz, umglomm andere mit Lichtkränzen. Zudem leuchteten die Positionslampen der Sturmvogel, hoben ihre Umrisse vom Dunkel ab.
    Denn da war sie, da geradeaus, mitten in Angus’ Blickfeld, keine fünfzehn Kilometer entfernt.
    Und näherte sich.
    Die Freistaat Eden konnte er an der Spitze seiner rechten Schulter erkennen, am Rande des Gesichtskreises der Helmscheibe. Auch die Lichter der Freistaat Eden brannten. Aber sie war schon näher heran als die Sturmvogel – gütiger Himmel, viel näher. Höchstens 5 Klicks trennten sie von der Posaune. Sie war längst in Kernschußweite.
    Darauf war Angus nicht eingestellt. Nichts konnte der Posaune gegen zwei Angreifer von Nutzen sein.
    Immer, immer blieb er hilflos, nie war er etwas zu tun imstande. Liebevoll und grausam umfing ihn der Abgrund. Die eigene Schwäche hielt Angus nieder: Versagen und Furcht erfüllten ihn mit gräßlichem Leid.
    »Gib mir Anweisungen!« gellte Morns Stimme. »Angus, sag mir, was ich tun soll!«
    »Jetzt sehe ich auch die Sturmvogel!« schrie Davies. »Beide Schiffe sind feuerbereit. Sie schießen uns jeden Moment zu Klump.«
    Sag mir, was ich tun soll!
    Morn hatte ihm die Freiheit zurückgegeben. Andernfalls hätte er vielleicht kapituliert und wäre ums Leben gekommen. Er wäre längst seelisch gestorben, vor Hilflosigkeit und lauter Zwängen dem Wahnsinn verfallen. Aber dank Morn hatte er die Freiheit wiedererlangt…
    Und seine cyborgischen Komponenten kannten keine Kapitulation. Seine Programmierung sah derlei nicht vor.
    In höchster Verzweiflung schwang er sich nochmals am Rumpf der Posaune hinab, duckte sich hinter die Granate und stieß sie mit der Schulter ab.
    Dann sprang er nach der Materiekanone.
    Das genügte. Er hatte Waffen. Und Entsetzen bedeutete bei ihm das gleiche wie Kraft. Morn hatte ihm die Freiheit zurückgegeben. Die Zonenimplantate verhalfen Angus zu Sicherheit des Handelns, optimalisierten die Beherrschung seiner Sinne und Gliedmaßen, verminderten jedoch nicht im geringsten sein Gefühl krassester Dringlichkeit und äußerster Zeitnot.
    Als die Granate über den Sichthorizont stieg, schwebte er hinterdrein.
    Stoppte sie mit einem kurzen Gasstoß aus den Lenkdüsen.
    Rückte hinter die

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