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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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die Granate an eine Position zu bringen, wo sie von ihrem Ziel genug Energie absorbieren konnte.
    Aber unter den gegebenen Umständen…
    Morn widerstrebte dem verzweifelten Wunsch, die Tasten, die den seitens Angus vorbereiteten Kaltstart auslösten, jetzt zu drücken und zu fliehen, solange die Posaune noch ein wenig Handlungsfreiheit hatte. Angus war noch nicht soweit: er hatte die Weisung noch nicht gegeben. Er krepierte außerhalb des Raumschiffs, voraussichtlich kam sein Bescheid nie; vielleicht hatte seine Furcht vor EA ihm längst den Geist umnachtet. Trotz allem blieb er allerdings die einzige Hoffnung der Posaune; ihre letzte Chance. Vorzeitiger Schub mochte sein Vorhaben vereiteln. Morn ballte die Fäuste, bis ihre Finger schmerzten, und wartete.
    Plötzlich beanspruchten Davies’ Scanninganzeigen seine volle Aufmerksamkeit. Erste Informationen über die Sturmvogel erschienen auf den Displays. »Da ist sie.« Die Sensoren lieferten präzisere Emissionsdaten. »Sie haben sich geortet«, rief Davies, sobald er die Daten sah. »Gleich schießen sie.«
    Er aktivierte sein Interkom-Mikrofon. Aber Morn war schneller. Sie hatte schon zuviel Menschenleben auf dem Gewissen.
    »Gib mir Anweisungen!« schrie sie in die Interkom. »Angus, sag mir, was ich tun soll!«
    Auch Davies zeterte Angus etwas zu, doch Morn beachtete ihren Sohn nicht.
    Die Scanninginstrumente maßen keine ankommenden Feuerleitimpulse von einem der beiden Raumschiffe. Sie nahmen nicht die Posaune ins Visier.
    Einen Augenblick später registrierten die Sichtschirme Materiekanonen-Feuer, als ob stumme Schreie ertönten. Das Bild, das die Posaune vom umgebenden Asteroidenschwarm empfing, fluktuierte beträchtlich, während die Computer das Chaos auszufiltern versuchten.
    »Sie schießen nicht auf uns.« Fassungslos beäugte Davies die Daten. »Uns halten sie für erledigt. Sie bekämpfen sich gegenseitig. Wir haben uns geirrt. Sie arbeiten gar nicht zusammen.«
    Fast hätte Morn glauben können, der Interspatium-Scout hätte mehr Feinde, als sich zählen ließen.
    Aber noch hatte die Sturmvogel nicht ihr Superlicht-Protonengeschütz eingesetzt. Vielleicht konnte sie es nicht…
    Zwischen den einzelnen Salven der Kontrahenten schien die Zeit stillzustehen. Zwischen den Sprüngen des Brücken-Chronometers lag die Zeit zum Leben oder Sterben. Morn senkte die Fingerspitzen auf die zur Auslösung des Kaltstarts erforderlichen Tasten, hielt sich bereit, obwohl auf dem eingegebenen Kurs das Debakel lauerte. Immerhin mußte der Kaltstart für die Sturmvogel und ebenso die Freistaat Eden eine gewisse Überraschung bedeuten. Davies hatte recht: Auf beiden Schiffen hielt man die Posaune für havariert oder wenigstens aktionsuntüchtig. Andernfalls wäre längst das Feuer auf sie eröffnet worden. Und durch den Überraschungseffekt konnte der Interspatium-Scout ein paar Sekunden Vorsprung gewinnen. Plus einige Sekunden durch die Distorsion. Keiner der zwei Verfolger konnte das Ziel so schnell neu anpeilen.
    Doch gleichgültig, was sonst geschah, das Hyperspatium-Syndrom mußte Morn unbedingt erspart bleiben: es war absolut notwendig, daß sie geistig intakt blieb. Sobald sie die Tasten gedrückt hatte, wurde sie selbst zur größten Gefahr für das Raumschiff. Falls das Universum wieder zu ihr sprach, saß sie am geeignetsten Ort, um zu gehorchen. An den Steuerungskontrollen stand es in ihrer Macht, mit der Posaune einen der beiden anderen Raumer zu rammen; zur Kollision mit einem Asteroiden zu bringen; es ins Herz des Schwarzen Lochs zu lenken, das Angus zu erzeugen beabsichtigte.
    Wie war sie das letztemal, als ihr das Hyperspatium-Syndrom drohte, davon verschont geblieben? Sie hatte gespürt, wie es akut wurde, als sie gegen das Schott prallte; hatte gefühlt, wie es ihren Geist mit kristallklarer Unterwerfung bezwang. Dann jedoch war es unvermutet von ihr gewichen, ihr Blutkreislauf hatte es fortgespült wie die Abfallprodukte verbrauchter Neurotransmitter.
    Warum?
    Was konnte sie unternehmen, damit dieser Vorgang sich wiederholte?
    Außer an Schmerz entsann sie sich an nichts: das Krachen ihres Schädels gegen Metall; die üblen Abschürfungen auf ihrem Rücken.
    Die Verletzungen schmerzten noch jetzt; aber Morn hegte die Überzeugung, daß sie zuwenig schmerzten, der Schmerz nicht ausreichte.
    »Ich kann die Granate erkennen«, quetschte Davies hervor, keuchte wie sein Vater. »Irgendwie hat er sie losgeschickt. Nicht zur Sturmvogel, sondern zur

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