Amok: Thriller (German Edition)
dann mit dem Gesicht zu den Türen.
George schüttelte den Kopf. »Schrecklich«, murmelte er. Immer noch starrte er gedankenverloren sein Handy an. »Einfach furchtbar.«
»Acht bis zehn Wochen.«
»Was meinst du?« George sah verwirrt auf.
»Mr. Templetons Prognose.« Sie schluckte vernehmlich und befeuchtete ihre Lippen. »Ich habe noch zwei Monate zu leben. Bestenfalls.«
11
PC Davies war noch keine Stunde in Chilton, aber er war jetzt schon völlig erschöpft. Um 8.40 Uhr war eine zweite bewaffnete Einheit eingetroffen, rasch gefolgt von einem halben Dutzend Streifenwagen und der ersten Abordnung von der Kripo. Dazu stießen noch die Teams von Feuerwehr und Rettungsdienst, und dann konnten sie sich an die mühevolle Arbeit machen, das gesamte Dorf abzusuchen.
Der Mann, der tot auf der Dorfwiese lag, war vielleicht wirklich der einzige Täter gewesen, aber der Chief Inspector, der die Rolle des taktischen Einsatzleiters übernommen hatte, mahnte zur Vorsicht. Die einzige Zeugin war bisher die Frau von Arundel Crescent, und die wirkte ein wenig unzuverlässig, um es dezent auszudrücken. Er ordnete an, dass in jedem Team mindestens ein bewaffneter Beamter sein sollte, dazu ein Sanitäter und ein paar Uniformierte.
Mit diesem Vorgehen gingen sie, wie allen Anwesenden bewusst war, das Risiko ein, dass ein verletztes Opfer starb, ehe ärztliche Hilfe eintraf. Sie würden gewaltsam in die Häuser eindringen und die Bewohner anbrüllen müssen, dass sie sich auf den Boden legen sollten – und damit Menschen, die bereits unter Schock standen und vielleicht zudem schwer verletzt waren, noch zusätzlich traumatisieren.
Nachdem die ersten paar Überlebenden die Beschreibung eines einzelnen Täters bestätigt hatten, nahm es Davies mit der eigenen Sicherheit nicht mehr so genau, und er vermutete, dass die anderen es ebenso machten. Sein Team war als Erstes mit der Durchsuchung der ihm zugewiesenen Anwesen fertig. Er verließ den Dorfladen und trug einem uniformierten Kollegen auf, dem Kommandoposten die Beschreibung der einzigen aufgefundenen Person zu übermitteln: einer Frau mittleren Alters, die tödlich verletzt im Vorratsraum lag.
Am Rand des Rasens blieb er stehen und wischte sich das Gesicht ab. Eine vorbeikommende Sanitäterin bot ihm Wasser an, das er dankbar annahm. Als er die Flasche ansetzte und den Kopf in den Nacken legte, sah er einen Hubschrauber in dem Feld hinter Arundel Crescent niedergehen. Er erkannte ihn wieder – es war derselbe, der das weibliche Opfer ins Krankenhaus transportiert hatte. Er fragte sich, ob sie dort lebend angekommen war.
Dann hörte er jemanden rufen und blickte sich um. Ein extrem übergewichtiger Mann mit wirren grauen Haaren marschierte auf ihn zu. Er kam Davies irgendwie bekannt vor, aber er warf dennoch einen Blick auf den Dienstausweis: Detective Inspector Sullivan. »Wir müssen die Hurst Lane überprüfen«, sagte er und machte der Sanitäterin, die Davies das Wasser gegeben hatte, ein Zeichen. Es war eine kleine, mollige Frau, die eine irritierende Ähnlichkeit mit der konservativen Politikerin Ann Widdecombe hatte.
Der ganze Wagen ächzte, als Sullivan sich auf den Fahrersitz fallen ließ. Davies stieg ein Hauch Körpergeruch in die Nase, überdeckt von einer großzügigen Dosis Aftershave. Sullivan stieß mit dem Bauch fast gegen das Lenkrad und steuerte mit einer Hand, den angewinkelten Arm in die Höhe gehoben. Davies, der neben ihm saß, musste sich an die Tür quetschen, wenn er Körperkontakt vermeiden wollte.
Das Dorf bildete eine surreale Kulisse, wie in einer Szene aus MASH oder Apocalypse Now . Helikopter rauschten heran und flogen wieder davon, beladen mit Opfern, die von Sanitätern mit Krankentragen antransportiert wurden. Spurensicherer in Papieranzügen wimmelten um die Toten herum wie weiße Blutkörperchen um eine Wunde. Das Dorf war inzwischen so überlaufen, dass nur noch Rettungswagen die Einfahrt in die High Street gewährt wurde. Alle anderen mussten an der Zufahrtsstraße parken.
Sullivan umkurvte eine Gruppe von Fahrzeugen, die vor der Kirche parkten, und hätte fast einen Tatortfotografen über den Haufen gefahren, der Aufnahmen von dem toten Postboten machte.
»Mann, das ist echt ein Alptraum hier«, brummte er.
»Wie eine Vision aus der Hölle«, steuerte die Sanitäterin vom Rücksitz aus bei. Danach sprach niemand mehr, bis sie die Farm erreichten.
Das Erste, was Davies auffiel, war, dass die Haustür offen stand. Ein
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