Amok: Thriller (German Edition)
Schauer der Vorahnung überlief ihn, und ein bleiernes Gefühl breitete sich in seiner Magengrube aus. Nicht noch mehr , dachte er. Ich will nicht noch mehr finden.
Aber es würden noch mehr werden. Schon als er ausstieg, hatte er keinen Zweifel daran. Die Stille hatte etwas zutiefst Unnatürliches. Selbst auf einem Hof ohne Viehhaltung müsste um diese Zeit schon jemand auf den Beinen sein. Irgendjemand, der die Sirenen und die Hubschrauber gehört hatte und herauskommen würde, um nachzusehen, was passiert war.
»Da drin ist niemand«, sagte DI Sullivan, als er Davies zur Tür folgte. »Jedenfalls niemand Lebendiges.«
Hinter sich hörten sie die Sanitäterin sagen: »Man soll die Hoffnung nie aufgeben.«
Davies stieß die Tür mit dem Fuß auf. Er steckte den Kopf hinein, und sofort schlug ihm der Geruch von Blut und menschlichen Exkrementen entgegen.
Er trat über die Schwelle. Es war ein altes Gebäude mit niedrigen Decken und kleinen Zimmern. Die Einrichtung war veraltet, aber jemand hatte den Versuch unternommen, dem Eindruck mit sorgfältig ausgewählten Lampen, Spiegeln und Bildern entgegenzuwirken. Weiblicher Geschmack und Einfallsreichtum, ins Feld geführt gegen die Weigerung eines Mannes, Zeit und Geld in die Innenausstattung zu investieren.
Das Wohnzimmer wurde von einem großen alten Philips-Fernseher dominiert, zu dem ein nicht minder betagter Videorekorder gehörte. Keine DVDs oder Spielkonsolen. Das Zimmer gegenüber, neben der Treppe, war mit einem großen Eichentisch eingerichtet und sah aus, als würde es nie benutzt. Die Küche war im Gegensatz dazu warm, angenehm unaufgeräumt und freundlich. Hier fand er sie.
Er stand in der offenen Tür und starrte die Leichen an, als Sullivan hinter ihn trat. »Gesichert?«
Davies zuckte mit den Achseln. Er hatte das Obergeschoss noch nicht überprüft, aber das schien jetzt alles ziemlich müßig. Er trat zur Seite, um Sullivan durchzulassen.
Wie mehrere der anderen Opfer hatten auch die Bewohner des Farmhauses beim Frühstück gesessen, als der Killer zugeschlagen hatte. Zwei Teller standen auf dem Kiefernholztisch, einer mit einem halb aufgegessenen Berg Eiern, Speck, Würstchen und Pilzen, der andere mit pochierten Eiern auf Toast, nicht angerührt.
Der Bauer lag ausgestreckt am Boden. Ihm war mit der Schrotflinte in den Bauch geschossen worden, er war aber nicht sofort tot gewesen. Seine mit Blut und Gedärmen bedeckten Hände ließen erahnen, dass er im wahrsten Sinne des Wortes versucht hatte, sich zusammenzuhalten.
Die Frau war ebenfalls mit der Schrotflinte erschossen worden – ein Kopfschuss aus nächster Nähe. Von ihrem Gesicht war nicht viel übrig, doch sie konnten noch sehen, dass sie ziemlich jung war, vielleicht Anfang dreißig, und schlank gebaut. Ihre Jeans lag neben ihr auf dem Boden, Pullover und T-Shirt waren hochgeschoben, der BH heruntergerissen. Auf ihrer Haut waren Spuren zu sehen, wo ihr Mörder sie begrabscht hatte. Die Schamhaare waren mit Blut verfilzt.
Sullivan stieß einen Pfiff aus. »Das ist ein bisschen anders.«
»Raserei«, sagte Davies. »Sexuelle Raserei.«
»Haben Sie irgendwelche anderen gesehen, bei denen die Schrotflinte benutzt wurde?«
»Noch nicht.«
»Ich auch nicht.«
Sie dachten beide eine Weile nach. »Ich frage mich, was das bedeutet«, sagte Davies.
»Ich bezweifle, dass wir das je erfahren werden«, entgegnete Sullivan. »Der Scheißkerl hat seine Geheimnisse mit ins Jenseits genommen.«
In diesem Moment war über ihnen ein dumpfes Geräusch zu hören. Beide Männer fuhren zusammen. Davies wirbelte herum und riss seine Waffe hoch. Die Sanitäterin, die an der Haustür wartete, warf erschrocken die Hände in die Luft.
»He«, sagte Sullivan, »wo ist eigentlich die Kleine? Sie haben eine Tochter.«
Davies erklomm die Stufen so lautlos, wie er nur konnte. Oben angekommen, registrierte er eine Bewegung am Ende des Flurs, als wäre jemand blitzschnell im Schlafzimmer verschwunden. Sein Herz raste. Wenn es das Mädchen war, wieso war sie vor ihm davongelaufen?
Weil sie total verängstigt ist. Sie hat wahrscheinlich mit angesehen, wie ihre Eltern ermordet wurden.
»Bewaffnete Polizei!«, rief er, wobei er sich bemühte, streng, aber nicht übermäßig einschüchternd zu klingen. »Komm ganz langsam heraus. Es passiert dir nichts.«
Schweigen. Keinerlei Reaktion. Und wenn es nun doch nicht das Mädchen war? Er wusste, dass es unwahrscheinlich war, aber die Tatsache, dass die Frau
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