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Amok: Thriller (German Edition)

Amok: Thriller (German Edition)

Titel: Amok: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Bale
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Befragung auf der Stelle abbrechen können. Julia konnte es an den Blicken ablesen, die die beiden wechselten. Sie hörte es am Scharren der Stuhlbeine auf dem Vinylfußboden: ein unbewusster Versuch, sich von ihr zu distanzieren.
    Danach klangen die Fragen zunehmend lustlos und halbherzig. Nach außen hin blieben die Beamten höflich, aber skeptisch, und sie schufen damit einen Teufelskreis, den Julia erkannte, aber nicht durchbrechen konnte. Ihre Weigerung, sie anzuhören, brachte Julia mehr und mehr aus der Fassung, und ihre wachsende Verzweiflung bestärkte die Polizisten noch in ihrer Überzeugung, dass sie psychisch labil sei. Eine hoffnungslos verwirrte Frau, die etwas von einem Mann in schwarzer Lederkluft faselte, der zuerst Carl Forester getötet und dann die Waffe gegen sie gerichtet hatte.
    Der Sergeant verließ schließlich als Erster den Raum. Die DCI war eine freundliche, mütterlich wirkende Frau, deren scharfe Intelligenz es jedoch nicht geraten erscheinen ließ, sie auf die leichte Schulter zu nehmen. Sie erinnerte Julia an eine Schulleiterin, unter der sie einmal gearbeitet hatte – außen wie Watte, innen wie Stahl.
    »Ich weiß, wie furchtbar das für Sie gewesen sein muss«, sagte sie. »Sie sind ganz offensichtlich immer noch sehr mitgenommen und verstört. Ich denke, Sie werden mit der Zeit begreifen, dass Ihre Erinnerung Ihnen einen Streich gespielt hat, und dann können Sie das alles hoffentlich hinter sich lassen und wieder ein normales Leben führen.«
    Julia nickte, als ob diese Plattitüden irgendetwas bedeuteten. Inzwischen wollte sie nur noch allein gelassen werden.
    »Ich muss Ihnen allerdings einen guten Rat geben«, fuhr die DCI fort. »Auch wenn die Versuchung noch so groß sein mag, erzählen Sie auf keinen Fall irgendetwas davon der Presse. Egal, ob sie Ihnen Glauben schenken oder nicht, sie würden Ihnen keine Ruhe mehr lassen.«
    Später grübelte Julia lange über diesen Rat nach. Sie bezweifelte nicht, dass er berechtigt war, sah jedoch auch, dass er eine sehr schwerwiegende Konsequenz hatte. Wenn sie schwiege, wäre sie ganz auf sich allein gestellt, während der Mörder immer noch auf freiem Fuß war. Immer noch eine Bedrohung. Und vielleicht würde er eines Tages beschließen, sein unvollendetes Werk zu vollenden.
    Vielleicht heute.

28
     
    Eine Landschaft wie die östlich von Rye gab es nirgendwo sonst in Sussex. Der Bus rollte durch das Marschland, vorbei an Feldern mit Wintergetreide, auf denen hier und da ein einsamer Traktor seine Runden fuhr. Hochspannungsmasten durchquerten die Landschaft in mächtigen Kolonnen, wie eine Roboterarmee, ausgebrütet hinter den abweisenden Mauern des nahen Kernkraftwerks Dungeness. Im Winter war es eine trostlose, kalte, menschenfeindliche Gegend. Einfach perfekt – hatte sie bis heute geglaubt.
    Sie wohnte in einer Pension namens »Bayside« – das Resultat eines weiteren Kompromisses mit ihrem Arzt. Er hatte ihr dringend zu einem Pflegeheim geraten, das auf Rehabilitation spezialisiert war. Der Gedanke, in einer Einrichtung eingesperrt zu sein, die eher zur Altenpflege geeignet schien, hatte sie so entsetzt, dass sie sich dankbar auf den Alternativvorschlag gestürzt hatte, den die DCI ins Gespräch brachte. Das Bayside hatte nur ein Dutzend Zimmer, die ausschließlich an Frauen vermietet wurden. Die Inhaberin, Kate, war eine ehemalige Polizistin, und die Pension wurde bisweilen zur Unterbringung gefährdeter Zeuginnen der Anklage benutzt.
    Jetzt, da sie allmählich ruhiger wurde, begann Julia andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Vielleicht war der Mann, den sie gesehen hatte, ihr ja gar nicht gefolgt. Im schlimmsten Fall war es vielleicht ein Journalist gewesen. Um dem Medieninteresse zu entgehen, hatte sie das Royal Sussex County am späten Abend durch einen Hinterausgang verlassen, und ihr Bruder hatte sie nach Camber Sands gefahren. Nur sehr wenige Menschen wussten, dass sie hier war – bisher waren ihre einzigen Besucher ein paar alte Freunde und die Leiterin ihrer Schule gewesen -, doch man konnte nie ganz ausschließen, dass irgendjemand geplaudert hatte. Ihr wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, dass jemand, den sie kannte und dem sie vertraute, ihren Aufenthaltsort gegen Geld verraten haben könnte.
    Das ausgedehnte Grundstück, zu dem die Pension gehörte, lag direkt an der Küste, flankiert von einem Golfplatz auf der einen und einigen großen, verstreut liegenden Privathäusern auf der anderen Seite. Aus den

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