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Amok: Thriller (German Edition)

Amok: Thriller (German Edition)

Titel: Amok: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Bale
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oberen Zimmern hatte man einen atemberaubenden Blick über die Bucht und die weite Sandfläche, die der Gegend ihren Namen gab.
    Als reine Vorsichtsmaßnahme blieb sie im Bus sitzen, bis er an der Pension vorbeigefahren war, und stieg erst an der nächsten Haltestelle aus. Ein Blick auf den vorbeifahrenden Verkehr ließ nichts Verdächtiges erkennen. Sie ging zurück zur Pension und vergewisserte sich, dass auf dem Parkplatz keine unbekannten Autos standen. Ein Wäschereiwagen war rückwärts an den Eingang herangefahren. Der Fahrer schlug die Hecktüren zu und nickte Julia zu, als sie an ihm vorbeiging.
    Kate stand hinter dem Empfangstresen und telefonierte. Sie war eine groß gewachsene, attraktive Frau von Anfang fünfzig, mit langen weißen Haaren, die sie zu einem Pferdeschwanz gebunden trug. Als sie Julia erblickte, beendete sie rasch ihr Gespräch und musterte sie streng.
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, es ist noch zu früh für solche Ausflüge.«
    »Was?«
    »Sie sehen vollkommen fertig aus. Wenn Sie nicht aufpassen, liegen Sie bald wieder im Krankenhaus.«
    »Mir fehlt nichts. Ich muss mich nur ein bisschen hinlegen.«
    »Sie müssen vor allem anfangen, auf gute Ratschläge zu hören.« Kate schnalzte missbilligend mit der Zunge, schien dann jedoch ihre Heftigkeit schon wieder zu bereuen. »Übrigens, heute Morgen hat jemand nach Ihnen gefragt.«
    Julia hob die Hand ans Herz. »Wann?«
    »Gegen halb elf. Nicht lange nachdem Sie das Haus verlassen hatten. Ich habe ihm gesagt, ich hätte Ihren Namen noch nie gehört.«
    »Wie hat er ausgesehen?«
    Kate überlegte. »Mitte dreißig, würde ich sagen. Groß, dunkelhaarig. Er trug eine schwarze Jeans und ein blaues Sakko.«
    Julia nickte, während sie gegen die aufsteigende Panik ankämpfte. »Ein Journalist?«
    »Ich glaube, ja. Ich habe mich dumm gestellt, also ist er hoffentlich längst über alle Berge.«
    »Nein. Er ist mir in Rye gefolgt.«
    »Oh, verdammt.« Kate drehte sich zur Tür, als ob sie damit rechnete, dass er jeden Moment hereinplatzen würde. »Was wollen Sie jetzt tun?«
    »Nichts. Sagen Sie mir nur Bescheid, falls er wieder auftaucht.«
    Die Treppe kam ihr doppelt so steil vor wie sonst, und bei jeder Stufe durchfuhr sie aufs Neue ein stechender Schmerz. Mühsam schleppte sie sich hinauf, und sie hatte das Gefühl, nicht nur am Ende ihrer Kräfte, sondern auch ihrer Hoffnungen zu sein. Wenn ein Journalist sie aufgespürt hatte, dann würden bald andere folgen. Und sie würde ihnen entweder geben müssen, was sie wollten, oder zum nächsten Versteck, zum nächsten Zufluchtsort weiterziehen. Und was war das dann für ein Leben?
     
    Ihr Zimmer lag am Ende des Flurs im ersten Stock. Es war recht groß, sauber und geschmackvoll in dezenten Farben eingerichtet, aber es war nicht ihr Zuhause. Sie hatte einen einzigen Koffer dabei, den ihr Bruder nach ihren Anweisungen gepackt hatte, doch nach einer Woche hatte sie noch kaum etwas ausgepackt; fast so, als hätte sie sich unbewusst auf eine überstürzte Flucht eingestellt.
    Sie lehnte ihren Stock hinter der Tür an die Wand und schlüpfte aus ihrem Mantel. Es war ein wenig stickig im Zimmer, doch als sie zum Fenster gehen wollte, blieb sie plötzlich wie angewurzelt stehen.
    Es war Ebbe. Weit hinten glitzerte das Meer, spiegelglatt und unwirklich. Dünne Wolkenschleier zerstreuten das Sonnenlicht und ließen die Luft in einem eigenartigen Vanilleton schimmern. Fischerboote schaukelten in der Ferne auf den Wellen, Möwen kreisten taumelnd über dem Strand. Die Sandfläche lag flach und feucht und braun zu ihren Füßen, und weit und breit war keine Menschenseele zu sehen – bis auf einen Mann.
    Er war vielleicht hundert Meter von ihr entfernt und stand vollkommen reglos da, breitbeinig und mit verschränkten Armen. Geduldig und entschlossen. Er blickte in ihre Richtung, doch sie hatte keine Ahnung, ob er sie hinter der spiegelnden Fensterscheibe erkennen konnte.
    Sie begriff, dass er direkt hierhergekommen sein musste. Er hatte gewusst, wo sie hinfuhr, und falls er ein Auto hatte, war er wahrscheinlich rund zehn Minuten oder länger vor ihr angekommen. All ihre Bemühungen, ihn abzuschütteln, die gesundheitlichen Risiken, die sie eingegangen war – alles umsonst.
    Vor seinen Füßen lag ein Stock, wahrscheinlich ein Stück Treibholz. Aus dieser Entfernung glich es einer kleinen dunklen Schlange. Sie hatte gerade erst erkannt, was es war, da begriff sie auch schon, wozu er es benutzt hatte.
    Direkt

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