Amok: Thriller (German Edition)
ihm wegen irgendetwas Vorhaltungen machte. Schließlich sagte er: »Nein, ich habe das mit morgen nicht vergessen. Ich werde da sein.«
Er steckte das Handy in die Jackentasche. »Nina muss morgen Abend geschäftlich verreisen, also werde ich dort übernachten.«
»Ich wette, Ihre Kinder können es kaum erwarten, Sie wieder ganz zu Hause zu haben.«
Er sagte etwas, was sie nicht verstand, schüttelte den Kopf und sah in die andere Richtung. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ihr die Wahrheit dämmerte.
»O nein. Ich bin so schwer von Begriff.« Sie legte ihm behutsam die Hand auf die Schulter.
»Mein Fehler«, sagte er. »Wir haben uns getrennt. Das ist der wahre Grund, weshalb ich im Haus meines Vaters wohne.«
»Sie haben ja so einiges durchgemacht, das hat Ihre Ehe bestimmt sehr belastet.«
Er lachte sarkastisch. »Das und die Tatsache, dass sie es mit einem anderen getrieben hat.«
»Oh.« Sie senkte den Blick. »Das tut mir leid.«
»So was kommt vor, nicht wahr? War wahrscheinlich genauso sehr meine Schuld wie ihre.«
Sie hatten den Wagen erreicht. Abseits der Straßenlaternen war der Himmel von Sternen gesprenkelt. Craig schloss auf, machte aber keine Anstalten einzusteigen. Sie starrten einander über das Autodach hinweg an.
»Und was denkt Nina über die ganze Sache?«
»Was? Meine Suche nach der Wahrheit?« Er lachte dumpf. »Sie glaubt, ich vergeude nur meine Zeit. Und allmählich frage ich mich, ob sie nicht recht hat.«
»Sie wollen doch nicht andeuten, dass wir aufgeben sollten?«
»Ich weiß es nicht. Sie sollten es vielleicht tun.« Er zuckte mit den Achseln und betrachte dann ihr Gesicht, als sähe er es zum ersten Mal. »Sie sehen noch schlimmer aus, als ich mich fühle.«
Julia lächelte. »Sie machen wirklich nette Komplimente.«
Eine kleine Pause trat ein, und eine gewisse Befangenheit schien sie beide zu erfassen. Dann schüttelte Julia den Kopf und öffnete die Beifahrertür.
»Kommen Sie, wir sind beide erschöpft. Fahren wir weiter.«
Der Verkehr ließ nach, als sie weiter nach Osten fuhren und dann nach Süden in Richtung Küste abbogen. Julia merkte, wie ihre Lider schwer wurden. Mehrmals wachte sie mit einem Ruck auf, wenn sie mit dem Kopf gegen die Fensterscheibe stieß.
Es war fast halb sieben, als der Golf in den Parkplatz der Pension einbog. Der Abschied war überhastet und ein wenig verkrampft. Es gab keine eindeutigen Absichtserklärungen oder Pläne für die Zukunft, nur einen Austausch von Handynummern und eine Abmachung, dass sie bald einmal telefonieren würden.
»Danke, dass Sie mitgekommen sind«, sagte Craig, doch in seiner Stimme lag mehr Enttäuschung als Dankbarkeit, als ob ihre Anwesenheit seine Erwartungen nicht ganz erfüllt hätte.
War‘s das schon? , fragte Julia sich, als sie ausstieg. Sie hatte das merkwürdige Gefühl, etwas verloren zu haben, etwas Wertvolles allzu früh und kampflos aufgegeben zu haben. Sie hegte weit größere Zweifel an einer Verschwörung, hinter der Matheson steckte, als Craig es tat. Dennoch betrübte es sie zu denken, dass ihre Suche nach der Wahrheit vielleicht schon zu Ende war, ehe sie recht begonnen hatte.
43
Craig war sich seiner widerstreitenden Gefühle bewusst, als er Julia in der Pension verschwinden sah. Enttäuschung darüber, dass der Tag auf so unbefriedigende Weise ausgeklungen war, und Frustration, weil Julia sich seine Theorien über das Massaker nicht zu eigen gemacht hatte. In Anbetracht der Tatsache, dass er so ziemlich der einzige Mensch war, der ihr glaubte – und ganz davon zu schweigen, dass er allen Grund hatte, ihr zu grollen -, fand er, dass sie sich ruhig ein bisschen dankbarer für seine Unterstützung hätte zeigen können.
Und dennoch empfand er auch Niedergeschlagenheit bei dem Gedanken, dass sie sich nicht weiter an den Nachforschungen beteiligen würde. Es war verwirrend. Bevor Julia auf der Bildfläche erschienen war, hatte es ihm absolut nichts ausgemacht, den Kampf allein auf sich zu nehmen. Warum sollte das jetzt plötzlich anders sein?
Fast ohne nachzudenken, angelte er die Flasche hinter dem Sitz hervor. Mit dem Kaffee und dem Sandwich als Unterlage könnte ein weiterer Schluck doch kaum schaden. Er schielte zur Pension hinüber, vergewisserte sich, dass niemand ihn beobachtete, und setzte die Flasche an. Und dann noch einmal. Jetzt erst merkte er, wie dringend er den berauschenden Energieschub gebraucht hatte.
Er verließ den Parkplatz und bog links ab. Inzwischen waren
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