Amon: Mein Großvater hätte mich erschossen (German Edition)
Nachkommen war, musste sich das Paar vor der Trauung noch einer Reihe von Tests für die SS unterziehen und zum Beispiel in Badehose und Badeanzug fotografieren lassen, um körperliche Makellosigkeit zu demonstrieren. Getraut wurden sie von einem SS -Mann. Bald bekam Anna Göth einen Sohn, doch das Baby starb mit wenigen Monaten.
Kurz darauf, im März 1940 , meldete sich Amon Göth bei der Waffen- SS zum Dienst und verließ Wien in Richtung Polen. Er war ehrgeizig, stieg rasch auf. Zuerst war er nur mit Verwaltungsaufgaben betraut. In einer Beurteilung von 1941 heißt es über ihn, er sei ein «opferfreudiger, einsatzbereiter SS -Mann», «zum SS -Führer geeignet», und auch das «rassische Gesamtbild» stimme. 1942 erhielt Amon Göth im polnischen Lublin den Auftrag, Arbeitslager auszubauen, damit jüdische Zwangsarbeiter untergebracht werden konnten.
1943 hielt Heinrich Himmler seine berüchtigte Rede vor SS -Führern, in der er eine Ideologie der Menschenverachtung propagierte: «Ob die anderen Völker in Wohlstand leben oder ob sie verrecken vor Hunger, das interessiert mich nur soweit, als wir sie als Sklaven für unsere Kultur brauchen … Ob bei dem Bau eines Panzergrabens 10 000 russische Weiber an Entkräftung umfallen oder nicht, interessiert mich nur so weit, als dass der Panzergraben für Deutschland fertig wird … Ich will hier … auch ein ganz schweres Kapitel erwähnen … Ich meine jetzt die Judenevakuierung, die Ausrottung des jüdischen Volkes … Von euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht.»
Amon Göth stellte seine Härte bald unter Beweis. Bei der SS lernte er das Töten.
*
Im ersten Stock sperrt der alte Mann das ehemalige Schlafzimmer auf. Aus der Decke ragen Haken. Dort soll Amon Göth seine Turnübungen gemacht haben, behauptet der Rentner. Vielleicht, fährt er fort und zwinkert mir dabei zu, habe dort aber auch eine Liebesschaukel gehangen.
Ich trete hinaus auf den Balkon, blicke auf mit Gestrüpp überwucherte Hügel. Kalter Wind bläst mir ins Gesicht. Es ist ein regnerischer Oktobertag. In der Nähe des Hauses befand sich das Lagergelände, gesichert mit Stacheldraht und Wachtürmen. Mein Großvater hatte seine Gefangenen im Blick, morgens waren es für ihn nur ein paar Schritte zur Arbeit. Dieses unscharfe Foto von Amon Göth auf dem Buch über meine Mutter: Sein geöffneter Mund, der nackte Oberkörper, das Gewehr in der Hand, nur mit Shorts bekleidet steht er auf dem Balkon. Wer hat das Foto gemacht? Meine Großmutter? Amon Göth soll stolz auf seine Schusswaffen gewesen sein, er trug sie gerne bei sich. Imponierte das meiner Großmutter, oder flößte es ihr Angst ein? Was wusste sie? Was hat sie verdrängt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie in diesem Haus gelebt und nicht mitbekommen hat, was im Lager geschah. Amon Göth soll seine Dienstmädchen geprügelt haben. Auch das muss meine Großmutter gesehen oder zumindest gehört haben. So groß ist die Villa ja nicht.
Als ich am Abend zuvor in Krakau ankam, fuhr ich auf dem Weg zum Hotel an der Wawel-Burg vorbei, der ehemaligen Residenz der polnischen Könige hoch über der Weichsel. Von Lichtern angestrahlt lag das Schloss da. Hans Frank, Hitlers Statthalter in Polen, quartierte sich nach dem Einmarsch der Deutschen dort ein, lebte im Luxus, umgeben von Dienstboten, beschäftigte Komponisten und Schachspieler. Ich kann mir vorstellen, wie Frank dort residiert hat, wie mächtig er sich in dieser herrschaftlichen Burg mit Blick über Krakau gefühlt haben muss.
Amon Göths Haus wirkt dagegen so normal, fast bescheiden. Ich hatte es mir größer vorgestellt, pompöser. Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass hier glanzvolle Empfänge stattfanden und ein Mann zu Hause war, der Herr war über Leben und Tod Tausender Menschen. Ein Mann, der es genoss, dass er unumschränkte Macht hatte, der diese Macht zynisch inszenierte und zelebrierte.
Amon Göth auf dem Balkon seiner Villa
*
«Ich bin euer Gott», sagte Amon Göth bei seiner Antrittsrede als Kommandant des Lagers Płaszów zu den Häftlingen. «Im Distrikt Lublin habe ich 60 000 Juden erledigt, jetzt ist die Reihe an euch.»
Im polnischen Lublin hatte Amon Göth für Odilo Globocnik gearbeitet, einen für seine
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