Amon: Mein Großvater hätte mich erschossen (German Edition)
selbst die Umbauten entworfen? Interessierte er sich für Architektur, so wie ich? Warum denke ich jetzt überhaupt darüber nach, ob wir einen ähnlichen Geschmack haben? Amon Göth ist kein Großvater, bei dem man Gemeinsamkeiten sucht. Seine Taten drücken alles weg. Im Buch über meine Mutter habe ich gelesen, dass meine Großmutter auch noch lange nach dem Krieg von Amon Göths Tischmanieren schwärmte. Ein feiner Mann sei er gewesen.
Die ehemalige Kommandantenvilla von Amon Göth in Płaszów, 1995
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Ein KZ -Kommandant, der großen Wert auf Tischmanieren legte.
Emilie Schindler, die Frau Oskar Schindlers, sagte später über Amon Göth, er sei «eine gespaltene Persönlichkeit» gewesen: «Einerseits trat er als Kavalier auf, wie jeder Wiener, andrerseits setzte er die ihm unterstellten Juden pausenlosem Terror aus … Er war fähig, kaltblütig zu töten und gleichzeitig jeden falschen Ton auf einer der klassischen Schallplatten wahrzunehmen, die er ununterbrochen hörte.»
Amon Leopold Göth wurde am 11 . Dezember 1908 in Wien geboren, als einziges Kind einer katholischen Verlegerfamilie. Seine Eltern Bertha und Amon Franz Göth gaben ihm den Vornamen, den auch schon sein Vater und sein Großvater trugen: Amon. Bei den alten Ägyptern hieß so der widderköpfige Gott der Fruchtbarkeit. Amon ist auch ein hebräischer Name, dort bedeutet er «treuer Arbeiter» oder auch «Sohn meines Volkes». Im Alten Testament war Amon ein König von Juda, der den Götzen opferte und von seinen Dienern ermordet wurde.
Amon Göths Eltern stammten beide aus einfachen Verhältnissen, aber sie waren durch einen Buchvertrieb zu Geld gekommen, konnten sich eine Wohnung in einem bürgerlichen Viertel, ein Dienstmädchen und bald auch ein Auto leisten. Die Göths verkauften religiöse Literatur, Heiligenbilder und Ansichtskarten. Später wurden sie auch verlegerisch tätig, gaben militärhistorische Bücher heraus, in denen die Opfer des Ersten Weltkriegs beklagt wurden. Amon Göths Vater war viel auf Dienstreisen, seine Mutter führte den Verlag, auf den kleinen Sohn passte meist seine kinderlose Tante auf.
Amon, genannt «Mony», besuchte eine private katholische Volksschule. Er war kein guter Schüler. Seine Eltern schickten ihn schließlich aufs Land, in ein strenges katholisches Internat. Der Historiker und Göth-Biograph Johannes Sachslehner stellt die Vermutung an, dass Göths späterer «Hang zu seltsamen sadistischen Scherzen» aus den Erfahrungen dieser Zeit stammen könnte, Belege dafür gibt es nicht.
Amon Göth brach das Internat nach der zehnten Klasse gegen den Willen seiner Eltern ab. Schon als Siebzehnjähriger begeisterte er sich für rechtsnationale Ideen und trat faschistischen Jugendorganisationen bei. Er war sportlich und draufgängerisch – Eigenschaften, die bei seinen neuen Freunden gut ankamen.
1931 wurde er Mitglied der NSDAP , bald darauf der SS .
Heinrich Himmlers Schutzstaffel, zuständig auch für Menschenversuche und Massenmord in den Konzentrationslagern, galt als Eliteeinheit: «Die Besten der Besten, mehr Nazi ging nicht», brachte der Journalist Stephan Lebert einmal den Geist dieser Truppe auf den Punkt. Der Schriftsteller Hans Egon Holthusen schrieb 1966 in seinem autobiographischen Bekenntnis «Freiwillig zur SS »: «Die schwarzuniformierte Organisation mit dem Totenkopfemblem … galt als eine Auslese, sie galt als chic, galt als elegant, und darum wurde sie von vielen exklusiv eingestellten Jünglingen bevorzugt, weil sie sich zu fein waren, in der ‹kackbraunen› Kluft der SA herumzulaufen.»
Auch der junge Amon Göth, erfolglos in der Schule, von seinen Eltern permanent unter Druck gesetzt, konnte sich bei der SS als etwas Besseres fühlen. Später erzählte er seiner Lebensgefährtin Ruth Irene Kalder, dass seine Eltern ihn als Kind vernachlässigt hätten und er den bürgerlichen Werten, zu denen sie ihn erziehen wollten, den Rücken zugewandt habe. Zwar kehrte er für kurze Zeit ins Familienunternehmen zurück, verlegte mit seinem Vater erfolgreich Militärliteratur, heiratete sogar eine Frau, die ihm die Eltern präsentierten und die er nicht liebte. Doch diese «arrangierte Ehe» war auch bald wieder geschieden.
Ein SS -Mann sollte jedoch eine Familie gründen, und so heiratete Amon Göth ein zweites Mal, die sportliche Tirolerin Anna Geiger, die er bei einem Motorradrennen kennengelernt hatte. Weil das Ziel der Heirat vor allem die Zeugung gesunder, «arischer»
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