Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Amon: Mein Großvater hätte mich erschossen (German Edition)

Amon: Mein Großvater hätte mich erschossen (German Edition)

Titel: Amon: Mein Großvater hätte mich erschossen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Teege , Nikola Sellmair
Vom Netzwerk:
Vier ehemalige Häftlinge aus Płaszów identifizierten ihn als den früheren Kommandanten des Lagers. Als sie Amon Göth im Beisein amerikanischer Soldaten wiedersahen, begrüßte ihn einer der vier Zeugen mit den Worten: «Herr Kommandant. Vier jüdische Schweine angetreten!»
    Amon Göth wurde nach Polen ausgeliefert, zusammen mit Rudolf Höß, dem ehemaligen Kommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz. Göth und Höß kamen am 30 . Juli 1946 am Krakauer Hauptbahnhof an. Eine aufgebrachte Menge erwartete die beiden: Nicht auf Rudolf Höß, den Mann, der Hunderttausende ins Gas schickte, stürzten sich die Menschen. Amon Göth wollten sie lynchen, den «Schlächter von Płaszów».
    Ende August 1946 wurde Göth dann in Krakau in nur wenigen Tagen der Prozess gemacht. Es war das erste große Verfahren dieser Art in Polen. Die vielen Zuschauer passten nicht in den Gerichtssaal, deshalb wurde der Prozess über Lautsprecher ins Freie übertragen. Hunderte von Zuhörern versammelten sich in den Grünanlagen gegenüber dem Gerichtsgebäude.
    Amon Göth (links) in Krakau auf dem Weg zum Gericht, das ihn im September 1946 zum Tode verurteilte
    Die Anklage lautete auf Völkermord. Göth wurde unter anderem beschuldigt, für den Tod von rund 8000  Menschen im Lager Płaszów verantwortlich zu sein sowie für die Ermordung von weiteren zweitausend Menschen bei der Räumung des Krakauer Ghettos. Hinzu kamen noch Hunderte von Morden bei der Auflösung der Ghettos in Tarnow und Szebnie im Herbst 1943 . Auch wurde ihm zur Last gelegt, er habe sich die Wertsachen seiner Opfer angeeignet. Angesichts der vielen Belastungszeugen soll Amon Göth ausgerufen haben: «Was? So viele Juden? Und uns hat man immer gesagt, da wird kein Schwanz übrigbleiben.»
    Göth wurde gefragt, ob er sich schuldig bekenne. Er antwortete mit einem lauten «Nein». Vor Gericht leugnete er seine Taten, nannte die Namen anderer SS -Männer und sagte, sie seien für die Morde verantwortlich gewesen. Er habe den Befehlen seiner Vorgesetzten gehorcht, sei nur ein Soldat gewesen und habe selbst keine Anordnungen erlassen. Göth blickte desinteressiert weg, wenn Zeugen von Morden im Lager erzählten, oder versuchte nachzuweisen, dass sie unrichtige Angaben machten. Er bestellte Oskar Schindler als Entlastungszeugen, aber der erschien nicht.
    Absurderweise nannte Amon Göth auch Mietek Pemper als Entlastungszeugen, doch sein ehemaliger Schreiber, der viele Verbrechen Göths mitangesehen hatte, sagte nicht für, sondern gegen ihn aus.
    Der polnische Staatsanwalt forderte die Todesstrafe und sagte in seinem Plädoyer: «Sie müssen hier über einen Menschen urteilen, der schon zu Lebzeiten zu einer Legende geworden ist … als eine moderne Inkarnation des biblischen Satans.»
    Amon Göth wurde zum Tode verurteilt. Er schrieb ein Gnadengesuch, in dem er darum bat, die Todesstrafe in eine Gefängnisstrafe umzuwandeln. Er wolle beweisen, dass er ein nützliches Mitglied der menschlichen Gemeinschaft sein könne. Das Gesuch wurde abgelehnt.
    Am 13 . September 1946 wurde Amon Göth zum Galgen geführt. Seine letzten Worte: «Heil Hitler.»
    *
    Es gibt viele Fragen, die ich meiner Großmutter gern stellen würde. Ich glaube, bei ihr hätte es sich gelohnt nachzuhaken. Sie hatte Ecken, Kanten und Brüche. An meinen Großvater habe ich kaum Fragen. Diese Filmaufnahmen von seiner Hinrichtung: wie er die Hand trotzig gegen den Himmel reckt, sich mit dem Hitlergruß aus dem Leben verabschiedet. Hätte er irgendwann ein Zeichen von Reue gezeigt, hätte ich ihn gern befragt. So aber denke ich, es wäre sinnlos gewesen. Er hat sich niemals schuldig bekannt. Im Prozess hat er gelogen bis zum Schluss.
    Ich fahre zum Gelände des ehemaligen KZ Płaszów.
    Jetzt ist das hügelige Gelände des Lagers von Rasen bedeckt. Nichts ist geblieben von den Stacheldrahtzäunen, den Wachtürmen, dem Steinbruch, in dem die Häftlinge schufteten, den Baracken, den Massengräbern. Nur grüne Wiesen zwischen einem McDonald’s-Restaurant und einer stark befahrenen Schnellstraße. In der Ferne ragen sozialistische Plattenbauten in den Himmel.
    Auf einem Hügel, weithin sichtbar, steht das Mahnmal: überlebensgroße, gebeugte Menschen aus hellem Stein, an Stelle ihrer Herzen klafft ein Loch.
    Ich bin überrascht. Ich habe immer noch die Kulisse aus «Schindlers Liste» vor Augen. Dort war alles so nah, so lebendig. Jetzt gibt es keinen Film. Nur Steine.
    Das Lager ist Vergangenheit. Mein

Weitere Kostenlose Bücher