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Amon: Mein Großvater hätte mich erschossen (German Edition)

Amon: Mein Großvater hätte mich erschossen (German Edition)

Titel: Amon: Mein Großvater hätte mich erschossen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Teege , Nikola Sellmair
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Lipowa-Straße.
    Heute erinnert ein Museum an ihn. Wir besichtigen die Ausstellung. Sie zeigt zunächst das Krakau zu Beginn der 30 er Jahre. Auf den Fotos sind Frauen beim Spaziergang und Männer auf dem Weg zur Synagoge zu sehen. Dann werden der deutsche «Blitzkrieg» gegen Polen und die sofort folgende Ausgrenzung der Juden dargestellt. Ein Foto zeigt deutsche Soldaten, die einem orthodoxen Juden mit einem Messer die Schläfenlocken absäbeln.
    Ich fühle mich müde und schlapp. Seit dem frühen Morgen bin ich auf den Beinen. Am liebsten würde ich mich ausruhen, mich irgendwo hinsetzen, aber der Stadtführer redet die ganze Zeit. Ich werde immer unkonzentrierter und kann mir keine Details mehr merken.
    Im letzten Raum des Museums ist das Lager Płaszów nachgebaut. Kleine Modellbaracken, auch die Villa meines Großvaters ist zu sehen. Ich schaue genau hin: Wieder sieht man, wie nahe am Lager und an den Häftlingsbaracken Göths Villa lag. Die Erklärungen meiner Großmutter werden für mich immer unglaubwürdiger.
    Oskar Schindler selbst kommt in der Ausstellung nur kurz vor. Seine Geschichte wird anhand von Fotos, Dokumenten und Originalmöbeln erzählt. In einem Raum befindet sich ein großer durchsichtiger Würfel, gefüllt mit Blechtöpfen, Schüsseln und Tellern, die damals in seiner Fabrik produziert wurden. Diese Installation soll die Geschichte des Unternehmers und seiner Arbeiter symbolisieren. Im Inneren hängen die Namen von rund 1200 jüdischen Zwangsarbeitern, denen Schindler das Leben rettete.
    Am Ende der Ausstellung liegen zwei Bücher mit Namen aus, ein weißes und ein schwarzes. Das weiße für die geretteten, das schwarze für die getöteten Juden. Zwei Bücher, die für zwei Optionen stehen: helfen oder morden. Oskar Schindler oder Amon Göth. Ich mag die simple Trennung in Gut und Böse nicht.
    Viele Juden überlebten im Untergrund dank der Hilfe von Verwandten, Freunden oder Arbeitskollegen. An diese «stillen Helden» wird zu wenig gedacht. Oskar Schindler war bestimmt kein Gutmensch, sondern eine schillernde Persönlichkeit. Es fällt mir schwer, mir ein Bild von ihm zu machen.
    *
    Oskar Schindler und Amon Göth, beide gleich alt, beide mit einem Faible für Alkohol, Partys, Frauen.
    Beide wurden vermögend durch die Judenverfolgung: Göth, indem er Juden ausraubte und umbrachte, ihnen alles nahm. Schindler, indem er eine Fabrik in Krakau übernahm, deren jüdische Besitzer enteignet worden waren, und dort Juden aus Göths Lager als billige Arbeitskräfte einsetzte.
    Oskar Schindler, der als Agent für die deutsche Spionageabwehr in Polen gearbeitet hatte, war zunächst ein Kriegsgewinnler, einer, der nach Krakau kam, um hier Geld zu machen. Später gab er einen Großteil des verdienten Vermögens wieder aus – um Juden zu retten.
    Amon Göth und Oskar Schindler, der Kommandant und der Fabrikant, verstanden sich gut. Oskar Schindler brauchte billige jüdische Arbeiter und war deshalb angewiesen auf das Wohlwollen Amon Göths. Oskar Schindler duzte «Mony», brachte ihm Geschenke und stellte ihm hübsche Frauen vor, darunter auch Ruth Irene Kalder, die Göths feste Freundin wurde.
    Helen Rosenzweig, jüdisches Dienstmädchen in der Villa in Płaszów, erzählte, dass Amon Göth glaubte, Oskar Schindler sei sein bester Freund. Auch sie habe das gedacht. Schindler habe ihr zwar immer wieder versprochen, sie zu retten. «Aber dann kam er wieder in seiner braunen Nazi-Uniform und feierte mit Göth wüste Orgien.» Es habe auch andere Fabrikbesitzer gegeben, die ihren jüdischen Arbeitern halfen und auf Göths Wohlwollen angewiesen waren. Sie hätten trotzdem nicht bei Göths Gelagen mitgemacht: «Schindler hat Grenzen überschritten, die er nicht hätte überschreiten müssen.» Trotzdem beurteilte sie Oskar Schindler letztlich positiv: «Amon Göth und Oskar Schindler: Beide hatten Macht, der eine nutzte sie, um zu töten, der andere, um Menschen zu retten. Ihr Beispiel zeigt: Jeder hat die Wahl.»
    Auch Steven Spielberg spielt in «Schindlers Liste» mit diesem Motiv, zeigt Amon Göth als bösen Zwilling Oskar Schindlers: Scheinbar waren die beiden Männer aus demselben Holz geschnitzt, aber ihre Taten könnten nicht unterschiedlicher sein.
    Göth erlaubte Schindler, Lagerhäftlinge in seiner Fabrik zu beschäftigen, es wurde sogar ein Außenlager für die Arbeiter der Emaillefabrik errichtet, in dem sie es besser hatten als im Lager Płaszów.
    Amon Göths jüdischer Schreiber Mietek

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