Amore macchiato: Roman (German Edition)
Straßenrand blühten Wildblumen in allen Farben, und ganz weit rechts von uns lag das kristallklare Meer. Ein Postkartenpanorama. Für so etwas flogen andere bis an den letzten Rand Asiens in den Urlaub, während ich vor wenigen Stunden noch entspannt am heimischen Küchentisch gefrühstückt hatte. Herrlich!
Oh, stopp. Leider war ich nicht zum Spaß hier! Ich war auf dieser Insel, um zu arbeiten.
Ich kramte in meiner Handtasche nach der Projektmappe, überflog zur Einstimmung ein paar Pläne und dachte an meine Aufgaben für die nächsten Wochen.
Ich verantworte ein auf drei Monate angelegtes Großevent für »Multiplikatoren«, wie wir sie nennen. Menschen, von denen wir uns erhoffen, dass sie dazu beitragen, unseren innovativen Geländewagen zu einem Welterfolg werden zu lassen. Wie auf einem Großbahnhof werden bald rund fünftausend GID-Autoverkäufer, noch mal so viele Endkunden und Hunderte Journalisten Tag für Tag über das Präsentationsgelände geschleust und bespaßt.
Natürlich stemme ich das alles nicht ganz alleine. Es gibt ein Heer von Eventagenturleuten, Hostessen und Lieferanten, die für diesen Job engagiert sind. Ich jedoch bin als Referentin von Unternehmensseite der Wachhund vor Ort. Die letzten Monate habe ich ausschließlich damit verbracht, die hochtrabenden Ideen vom Vorstand und von sämtlichen anderen Abteilungsleitern, die meinten, mitreden zu müssen, in Zahlen und Entwürfe umzusetzen, die erst zigmal verworfen, dann freigegeben und kurz vor Toresschluss immer wieder komplett über den Haufen geworfen wurden. Zeit und Geld spielten dabei keine Rolle. Davon haben wir bei GID genug – zumindest was die Wünsche der obersten Heeresleitung anbetrifft.
Irgendwann stand endlich das Konzept. Die Einladungen an VIPs, Kunden und Autoverkäufer, die die Karre toll finden und je nachdem kaufen oder verkaufen sollen, waren verschickt. Daher müsste ich eher von Konzept en sprechen. Zwar werden alle Zielgruppen nach und nach auf dasselbe Präsentationsgelände eingeladen, aber die Programme werden andere sein. Beispielsweise wird es für die VIPs Champagner geben, für die stets ausgehungerten Journalisten nur Prosecco und für die Autoverkäufer Bier. Deutsches Bier ist dem gemeinen Autoverkäufer am liebsten, egal in welchem Weinparadies er sich gerade befindet. Abgesehen davon ist es um Bier auch nicht ganz so schade, wenn es literweise auf kurzärmeligen, bügelfreien Oberhemden verschüttet wird. Ja, Events mit Autoverkäufern sind legendär und in unserer Unternehmenszentrale allseits gefürchtet.
Enzo bremste hart, und ich flog mit der Nase gegen die Kopfstütze des Vordersitzes. Verdammter Depp.
»Was ist los?«, fragte ich ärgerlich.
»Ich weiß nicht, wo ich langfahren muss.« Enzo kratzte sich gedankenverloren am Kopf und tippte ratlos auf seinem Navi herum, als sähe er das Gerät heute zum ersten Mal.
»Aber Sie sind doch von hier«, tadelte ich ihn ungeduldig. »Sie werden ja wohl wissen, wie man nach Porto Cervo kommt.«
» Signorina , was soll ich bitte in Porto Cervo?« Enzo drehte sich zu mir um. »Ein Sarde fährt nicht dorthin.«
»Und warum nicht?«, fragte ich blöd.
Putin und Berlusconi waren schließlich auch da.
»Weil dieser Ort für uns gar nicht zu Sardinien gehört«, informierte mich Enzo, plötzlich hellwach. »Bis vor dreißig, vierzig Jahren gab es in dieser Gegend höchstens ein paar Schäferhütten. Dann haben wir unseren Grund und Boden an den Aga Khan verkauft und uns gewundert, was er mit dem öden Land anfangen will. Bald wussten wir es – ein Urlaubsparadies. Das ist ihm ja auch geglückt, aber wir Sarden haben dort nichts verloren.«
»Aha.« Ich nickte. So war das also.
»Ist allerdings etwas schwierig, wenn Sie mein Fahrer sein wollen und die Gegend nicht kennen, in der ich mich in den nächsten Monaten bewegen werde«, kam ich zurück zum Kern der Sache.
»Och, mit der Zeit werde ich die Gegend schon kennenlernen«, entgegnete Enzo gutmütig.
»Wie schön für Sie«, erwiderte ich trocken. Ich gab auf. »Dann will ich mal auf meinem Handy nachsehen«, schlug ich vor, »ob ich Aga Khans Städtchen für uns finden kann.«
Etwa eine halbe Stunde später erreichten wir den Hafen von Porto Cervo, einen hübschen, kleinen Ort mit bunt getünchten, flachen Häusern, die sich dezent in die grüne, bergige Landschaft schmiegten. Trotz Nebensaison – auf Sardinien, so hatte ich mir sagen lassen, war bis auf ein paar Wochen im Hochsommer
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