Amore macchiato: Roman (German Edition)
möchte gerne morgens ins Büro kommen, in dem meine Mitarbeiter auf mich warten, weil sie mich wichtige Dinge fragen wollen und meinen Rat brauchen. Ich will in diesem Unternehmen aufsteigen, Abteilungsleiterin werden und später vielleicht mal Bereichsleiterin, als B zwanzig .«
»Was ist denn B zwanzig?«, fragt Riccardo verständnislos.
»Ach, entschuldige, ich rede schon wie eine Betriebsblinde«, gebe ich zu. »Diese Daten sind die Gehaltsklassen bei GID. Die gehen von D eins für den untersten Aushilfsjob bis ganz nach oben zu A zwanzig. Ab Klasse B hast du ausgesorgt.«
»Du kennst die Gehaltsklassen deiner Kollegen?«, fragt Riccardo entgeistert.
»Klar«, antworte ich selbstverständlich, »Bräunlich liegt bei A zehn plus, meine Kollegen alle im C Zehner- bis Zwanziger-Bereich, sein blöder Assi inzwischen sicherlich bei B fünfzehn …«
»Sprecht ihr euch etwa auch so an? ›Hallo C fünfzehn, wie geht’s dir heute so‹?«
Ich muss lachen. »Nee, so schlimm nicht. Aber klar«, gebe ich zu, »du weißt in den meisten Fällen, mit wem du es zu tun hast und wo derjenige im Unternehmen steht.«
»Das ist ja wie bei den Hühnern im Stall meiner Oma«, sagt Riccardo, »da kennt auch jedes Tier seinen Platz. Und wenn eines ausschert, hacken die anderen nach ihm.«
»Veralberst du mich jetzt?«
»Na ja, zumindest ein bisschen …«
»Bei uns wird nicht gehackt .« Ich richte mich resolut in meinem Sitz auf und argumentiere ebenso professionell wie die Personaltante aus der Abteilung Human Resources and Development bei GID. »Wir haben klare Zielvereinbarungsgespräche, in denen gemeinsam festgelegt wird, welche Aufgaben du in den nächsten Quartalen zu erfüllen hast. Außerdem gibt es Zielerreichungsgespräche, in denen man zusammen feststellt, welche Kompetenzen du hast und wo du noch Schwächen aufweist. Am Ende steigst du entweder auf oder nicht.«
»Das findest du gut?« Riccardo hat das Besteck abgelegt und beide Hände hinter dem Kopf verschränkt.
»Ja«, verteidige ich mich, »so hat man einen klar abgesteckten Aufgabenbereich und weiß genau, was man zu tun hat.«
»Aber«, Riccardo blickt mich verständnislos an, »deine Arbeit wird am Ende offenbar nicht gewürdigt. Das ist doch das, was du mir gerade erzählt hast. Was du hier vor Ort geleistet hast, wird nicht einmal gesehen . Wie willst du denn da Karriere machen?«
Das saß.
Ich knibbele erschrocken an meinem Fingernagel. »Ich …« Darauf habe ich keine Antwort. Hastig trinke ich einen Schluck Wasser. »Es ist …«, starte ich erneut. »Ich glaube einfach fest daran, dass mein Chef eines Tages erkennt, was ich leiste.« Ich blicke ihn Hilfe suchend an.
Riccardo rückt mit seinem Stuhl über die Tischecke neben mich und nimmt mein Gesicht in beide Hände. »Das wünsche ich dir«, er streichelt mir sanft über die Wange, »ich will dir nur sagen: Wir kennen uns ja eigentlich erst seit ein paar Tagen, aber für mich bist du schon jetzt mehr als ein B irgendwas. Was dich ausmacht, ist deine Spontaneität, dieses Fröhliche, Unkomplizierte. Du bist für mich kein Mensch, dessen Wert man für die nächsten Quartale in Zielen feststecken kann.«
Er küsst mich.
Ich atme tief durch, vergrabe den Kopf an seinem Hals und lasse seine Worte nachklingen. Riccardo hat recht mit dem, was er da sagt. Aber irgendwie auch wieder nicht. Ich weiß es selbst nicht.
»Könnten wir«, frage ich, »als nächstes Ziel bitte feststecken, dass du heute Nacht bei mir bleibst?«
Riccardo nickt. »Mit dem größten Vergnügen«, sagt er, »dann zeige ich dir mal, was A zwanzig ist.«
15.
Die Vorbereitungen für den Dakar-Launch gehen in die letzte Runde. Die Arbeit ist derzeit unglaublich anstrengend. Schlag auf Schlag kommen neue Fragen und Aufgaben auf mich zu. Ich funktioniere wie fremdbestimmt und eile von einem Brennpunkt zum nächsten.
So gibt es zum Beispiel Probleme mit dem Zoll wegen der Autos im Hafen. Dann fallen Chauffeure unseres Shuttle-Dienstes aus, weil sie wegen erhöhten Mirtokonsums schon vor Monaten den Führerschein abgeben mussten, was sie jedoch niemandem gesagt haben. Einige Hostessen hingegen haben sich eine andere Frisur zugelegt, als im Screening gezeigt und von uns gewollt. Eine Automobilhostess muss einfach lange Haare haben, daran führt leider kein Weg vorbei.
So rufen Paula und ich uns eilige Dinge zu und hetzen hin und her.
Als hätte ich nicht schon genug zu tun, klingelt zwischendurch immer wieder mein Handy.
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