Amore macchiato: Roman (German Edition)
nicht mehr einfällt.
»Gut, danke«, sage ich einsilbig und trete zögernd an die Sitzgruppe heran. »Warum bist du hier?«
»Setz dich doch«, antwortet er und übergeht nonchalant meine Frage. Er klappt die Zeitung zu und wirft sie mit einer lockeren Geste auf den Abstelltisch neben ihm. »Möchtest du was trinken? Cola, Wein, Champagner? «, fragt er jovial und macht eine ausschweifende Bewegung mit dem Arm.
Gehört ihm das Hotel?
Oder gleich die ganze Welt?
»Einen Latte macchiato , bitte«, gebe ich dem aufmerksam herbeigeeilten Kellner in Auftrag und verschränke unwillkürlich die Arme über der Brust.
»Einen Latte macchiato nimmst du? Befleckte Milch? «, wiederholt Markus meine Bestellung, und sein Ton klingt leicht anzüglich. »Annika, das trinkt man doch in Italien nicht!«
Er will es einfach nicht lassen, mich kleinmachen zu wollen, wo er kann. Was habe ich bitte gut ein Jahr lang an diesem Kerl gefunden?
»Wie kommt’s, dass ich es trotzdem in diesem Land bestellen kann?«, frage ich spitz zurück.
Er betrachtet mich gönnerhaft amüsiert. »Gut gekontert, Kleine. Jetzt komm schon, warme Milch mit Schuss ist was für Alte und Kranke«, erklärt mir der Italienkenner, der sich immer noch für den Experten schlechthin hält, nur weil seine Eltern seit Urzeiten ein Haus an der Riviera haben und er in groben Zügen die Landessprache beherrscht.
»Was hast du hier zu tun?«, übergehe ich nun seine Spezialistenüberlegungen.
Markus lacht. Offenbar genießt er meine Überraschung über sein Erscheinen hier. »Bräunlich wollte, dass ich ihn begleite«, erklärt er leichthin. »Ich soll in sämtliche Projekte seiner Abteilung direkten Einblick erhalten.«
»Warum denn bereits heute?«, frage ich gewollt leichthin. »Bräunlich wollte doch erst zur Eröffnung anreisen.« Wenn ich schon von Paula erfahren muss, dass er kommt, kann ich getrost hinten herum auch noch den Grund dafür erschnüffeln.
»Bräunlich will sich vorab ein Bild von der Lage hier machen. Offenbar hattest du Probleme mit dem Projekt, wie ich höre?« Er schaut mich mitleidig an.
Dieses Schwein. Alle beide.
»Es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen«, kontere ich trotzdem wie aus einem Karriereratgeber abgeschrieben, »nichts, was ich nicht bewältigen könnte.« Ich setze das professionellste Pokerface auf, zu dem ich fähig bin. »Und wo ist Bräunlich nun?«, will ich dann wissen.
»Der wollte noch kurz auf sein Zimmer«, kommt die Antwort.
Also aufs Klo. Hoffentlich ist ihm der Flug auf den Magen geschlagen, denke ich.
»In zwei Stunden haben wir ja schon unser Statusmeeting mit Matzek«, fährt Markus unterdessen fort, »der soll uns mal erklären, wie es hier läuft. Schließlich geht das Event ja schon am Donnerstag los.«
Stefan Matzek, denke ich verächtlich. Der ist zwar erst vor zwei Stunden gelandet, hat sich von Paula schnell auf dem Eventgelände herumführen und ein paar Unterlagen zeigen lassen, trotzdem hat er bei Bräunlich und Markus immer noch den Stand inne, hier der große organisatorische Manitu zu sein.
»Ja, das soll er mal«, sage ich trocken und nippe an meinem Glas, das der Kellner soeben vor mir abgestellt hat. »Und du?«, wechsele ich das Thema, »du bist jetzt also der Assistent von Bräunlich?«
»Na ja, was heißt Assistent «, antwortet Markus schnell und fühlt sich sichtlich unwohl mit dieser Bezeichnung. »Nennen wir es lieber Beraterstabsstelle «, korrigiert er bestimmt. »Ich mache nicht irgendwelche Sekretärinnenjobs oder so.« Er lacht, als würde eine Sekretärin ihrem Chef per se nur die schmutzigen Socken hinterherräumen. »Nein, ich bin Bräunlichs rechte Hand. Der hat dringend eine abteilungsinterne Kompetenz gebraucht, bei der alle Daten und Prozesse zusammenlaufen, um daraus strategische Schlüsse und Empfehlungen entwickeln zu können – was ich übrigens gleich für ihn mitmache«, unterrichtet er mich wichtig. »Ich war schon länger mit ihm über diese Position im Gespräch, aber wir mussten erst noch mit dem Betriebsrat verhandeln, der lange darauf bestanden hatte, die Stelle offiziell auszuschreiben.« Er lacht selbstbewusst. »Dabei«, fügt er abfällig hinzu, »hätte diese Stelle niemand aus seiner Abteilung übernehmen können. Die nötigen Fachkenntnisse hat dort keiner. Außerdem nimmt sich der Betriebsrat bei so was immer viel zu wichtig.«
»Aha«, sage ich langsam. Mir geht eine ganze Reihe Abteilungskollegen – mich eingeschlossen – durch
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