Amore macchiato: Roman (German Edition)
Zeit die Zahlen und Daten der Kollegen kontrolliert, fühlt man sich irgendwann wie Big Brother, dessen Geschwister übermütig über den Hof tollen, während am Ende des Tages alle Fäden in Form von Konten und Rechnungen wieder bei ihm zusammenlaufen. Ihm entgeht nichts, egal wie man es dreht und wendet. Wenn der Controller eine Frage stellt, endet man irgendwann ganz klein mit Hut vor seinem verdammten Flipchart. Was davor gelaufen ist, interessiert dann keinen mehr.
Ich stütze die Unterarme auf dem Tisch auf. » Mein Job ist es, dieses Event zum Laufen zu bringen«, sage ich bestimmt. »Wenn wir hier plötzlich ohne Strom auf Orangenkisten sitzen und in die Luft gucken, weil auch keine Autos angekommen sind, möchte ich euch mal erleben.« Ich hebe provokant die Augenbrauen.
Sein Gesichtsausdruck wird plötzlich weicher. »Ich verstehe dich ja, Annika«, sendet er pädagogisch wertvolle Ich-Botschaften, was ihm bestimmt ebenfalls seine Coachs beigebracht haben. »Wir wollen letzten Endes alle nur das Beste für den Erfolg von GID. Lass uns versuchen, eine Lösung für diese Fragen herbeizuführen, und uns in den nächsten Tagen noch mal dazu zusammensetzen, wenn das Event erst einmal angelaufen ist und du etwas mehr Zeit für solche Dinge hast.«
»Okay«, antworte ich zaghaft und mustere ihn prüfend.
»Fein.« Markus klatscht beschwingt in die Hände und schenkt sich noch einen grünen Tee aus der vor ihm stehenden Thermoskanne nach. »Und sonst so, Annika, wie geht es dir?«
»Gut, danke«, gebe ich weiterhin reserviert zurück. Worauf will er denn jetzt hinaus?
»Das habe ich gestern Abend gesehen, als du mit einem Typen durch die Hotelhalle geschlendert bist«, sagt er in gewollt neutralem Ton.
»Das ist meine Privatsache«, wiegele ich ab. Ich hätte schwören können, die Lobby war gestern menschenleer …
»Aber, Annika, mir kannst du das ruhig erzählen. Wir sind doch jetzt Freunde, nachdem uns …«, er sucht kurz nach Worten, »nachdem uns so lange so viel verbunden hat.«
Unwillkürlich muss ich an unsere gemeinsamen Frühstücke denken, bei denen er abwechselnd die Zeitung oder die Morgennachrichten im Fernsehen fixiert hat. Wie er vor dem Kleiderschrank stand und seine Kleidung akkurat auf Bügel hängte, bevor er ins Bett stieg. Oder wie er vorwurfsvoll in der Küche hinter mir her wischte, während ich für uns kochte. Uns hat ja ach so viel verbunden …
Warum denke ich ausgerechnet jetzt daran?
Ich richte mich auf. »Na gut«, willige ich in sein Angebot zum Burgfrieden ein, »lass uns das so machen. Wir sprechen über diese Sache, sobald es etwas ruhiger geworden ist.
16.
Am nächsten Morgen sitze ich mit der Chefhostess Maja in meinem neuen Büroverschlag gleich neben der Cateringküche im Hauptzelt und gehe die letzten Details für den Start des Events am nächsten Tag durch. Zu meiner Überraschung serviert sie mir bereits vor Beginn der Veranstaltung im Namen ihres gesamten Teams die üblichen Beschwerden über zu enge Schuhe und ein zu anzügliches Messe-Outfit. Normalerweise kommen die Damen mit so etwas erst am zweiten oder dritten Eventtag an. Routineartig schmettere ich ihre Nörgeleien ab, verbiete das Tragen von Sandalen und mahne schon heute zu Höflichkeit gegenüber den noch nicht einmal eingetroffenen Gästen.
»Uneingeschränkte Freundlichkeit auch gegenüber denjenigen, denen das Hostess-Outfit gegebenenfalls zum Anfassen gut gefällt. Dafür werdet ihr gut bezahlt«, füge ich hinzu.
Maja zieht einen Flunsch und verschränkt beleidigt die Arme vor der Brust.
»Was ist?«, frage ich unwirsch. »Wir prostituieren uns alle in unseren Jobs, egal was wir tun. Da müssen auch du und deine Kolleginnen durch.«
Ich stecke mir einen der frisch gebackenen, riesengroßen Mandel-Amarettini in den Mund, die der Caterer bereits heute angeliefert hat, und gebe ihr zu verstehen, dass die Diskussion hiermit für mich beendet ist. Maja stapft trotzig hinaus. In der Tür stößt sie fast mit Paula zusammen, die auf dem Weg zu mir ist.
»Was hat die denn?«, will Paula verblüfft wissen.
»Das Übliche«, brumme ich zurück, »der Kampf der Hostessen für bessere Arbeitsbedingungen.«
»Jetzt schon?«
»Ja, das Outfit ist den Damen nicht genehm.«
»Dabei lassen wir sie dieses Mal gar nicht in Bikinis herumlaufen wie auf der letzten IAA«, wundert sich Paula. »So schick in rückenfreien Overalls – da sollen die sich mal nicht beschweren.«
»Genau der freie Rücken
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