Amore macchiato: Roman (German Edition)
den Kopf, die durchaus in der Lage wären, Sachverhalte darzustellen und logische Schlüsse daraus zu ziehen. Wie oft haben wir Bräunlich neue Ideen und eigene Entwürfe vorgelegt, die er in den meisten Fällen keines Blickes gewürdigt hat. Wie wird es meinen Kollegen in den letzten Tagen ergangen sein, nachdem sie erfahren haben, dass hinter unserem Rücken eine derartige Position besetzt wurde, ohne einem von uns auch nur die Chance zu geben, sich darauf zu bewerben?
»Ja, das ist ja schön für dich«, sage ich und leere mein Glas. Ich habe keine Lust, mit Markus über seine selbstverliebte Art zu diskutieren. Ich weiß zu gut, dass es zu nichts führt und er bei Bedarf jeden Aspekt ins Gegenteil verdreht. »Dann«, sage ich und stehe auf, »sehen wir uns später im Hotelkonfi.« Ich wende mich zum Gehen.
»Ach, Annika«, ruft Markus mir hinterher. Unwirsch drehe ich mich um. »In diesem Zusammenhang: Reichst du mir bitte die Belege aller Ausgaben ein, die du hier vor Ort hattest? Bräunlich wünscht eine upgedatete Kostenübersicht des Projekts.«
Ich nicke kurz. »Gebe ich dir«, sage ich.
Der Konferenzraum des Hotels befindet sich in einem Erker im zweiten Stock. Von hier hat man einen wunderbaren Blick über die Bucht, in der ein paar kleine Jachten vor Anker liegen und in der Sonne vor sich hin schaukeln. Der Ausblick ist traumhaft.
Die Einblicke hier sind es weniger.
Ich habe mit Paula und Stefan Matzek bereits am runden Tisch Platz genommen und mich mit Wasser und Keksen versorgt, als die Tür schwungvoll geöffnet wird.
»Guten Tag zusammen«, ruft Bräunlich dynamisch.
Er hat ohne Zweifel keinen Durchfall. Schade.
Matzek stürzt geradezu von seinem Stuhl hoch und begrüßt erst Bräunlich und dann Markus überschwänglich, als seien sie alle drei alte Freunde. Nach den üblichen Erkundigungen über den Verlauf des Fluges, das Hotelzimmer und das generelle Befinden kommen wir zum Kern der Sache.
Mit einem Mausklick switcht Stefan den Desktop seines Computers über den Beamer auf die Leinwand.
Neugierig beuge ich mich vor. Ich finde es immer interessant, was die Leute so alles auf ihrem Desktop haben. Entweder Hunderte von wilden Dateien oder gar keine. Fotos vom eigenen Hund, Kind oder Partner, nur die geblümte Windows-Wiese oder, noch öder, eine einfarbige Fläche als Hintergrundbild.
Stefans Desktop ist erwartungsgemäß genauso aalglatt wie er selbst: Das Logo seines Unternehmens als Fond, dazu genau drei Icons in schnurgerader Ausrichtung: Internet, Netzwerk und Papierkorb.
Der Schnösel.
Ich hab’s immer gewusst, aber Markus wird das gefallen. Verstohlen spähe ich zu ihm hinüber, wie er sich breitbeinig auf seinen Stuhl lümmelt und die Hände chefig hinter dem Kopf verschränkt hält. Stefan öffnet unterdessen eine Präsentation. Sofort erkenne ich das Foto der Eventanlage mit den vier Partyzelten, das Paula und ich am Freitagabend mit meiner Digicam geschossen haben.
»Um es gleich vorwegzunehmen«, startet Stefan seine Ausführungen mit einem Gewinnerlächeln, »Wir sind bereit!« Er deutet auf das Foto auf der Leinwand. »Stand der Dinge ist, dass alle Zelte aufgebaut, weitestgehend eingerichtet und technisch fertig ausgestattet sind.«
Er klickt zufrieden durch eine Reihe Fotos, die ich alle auch auf meiner eigenen Kamera hätte vorzeigen können. Er präsentiert die große Ausstellungsfläche, den Cateringbereich, jeden Winkel der Zelte von innen mit den Stehtischen, Theken und Messepflanzentöpfen und den Platz für die noch zu errichtende Showbühne.
»Ich habe dieser Tage von Livorno aus den Genehmigungsprozess bei der örtlichen Polizei vorangetrieben, morgen werden die Vorführwagen im Hafen ankommen, die ein Shuttle-Team von uns überführen wird. Außerdem reisen die Hostessen an, die wir briefen und einarbeiten werden.«
Was erzählt dieser Wichtigtuer da bitte schön für einen Quatsch? Rein gar nichts hat er gemacht!
»Das Catering übernimmt ein Hotel ganz in der Nähe, mit denen ich mich nach diesem Meeting noch mal persönlich zusammensetzen werde, um die letzten Details zu besprechen«, redet Stefan unterdessen ungerührt weiter.
Letzte Details besprechen, pah!
Die Speisenfolge steht seit Ewigkeiten fest. Paula hat bis zum Schluss wegen der Kosten mit denen gekämpft, und nun fährt Stefan offenbar nur noch mal hin, um sich durch eine range an edlen Häppchen zu futtern und seinen – wenn auch unnötigen – Segen zu geben. Was für ein aufgeblasener
Weitere Kostenlose Bücher