Amore macchiato: Roman (German Edition)
hier herum. Ich finde«, sie erhebt die Stimme und bleibt mit ausgestrecktem Zeigefinger vor mir stehen, »du hast ein Recht auf eine Erklärung!«
»Ehrbare Worte«, schnaube ich, »und was mache ich nun damit?«
»Du fährst wieder hin und verlangst eine Erklärung. Ganz einfach.«
»Spinnst du?« Ich richte mich im Bett auf und blinzele Paula böse an. »Denkst du, ich bin bescheuert, oder was? Seit ich Riccardo zum ersten Mal gesehen habe, drehen sich meine Gedanken nur um ihm. Ich bin ihm nachgefahren, um ihm sein doofes Messer zu bringen, bin gesprungen, wenn er angerufen hat, habe brav bella figura vor seiner gesamten Verwandtschaft gemacht und bin mit ihm in seinem alten Fickcontainer über die Insel gegondelt«, rede ich mich in Rage. »Und nun«, komme ich zum Ende, »soll ich noch einmal nach Canossa kriechen, um mich erneut demütigen lassen? Diese blöden Sarden mit ihrem blöden Stolz! Wer bin ich denn, dass man so mit mir umgeht?«
Paula hat meine Rede mit unbeweglicher Miene verfolgt. »Die Demütigungsnummer hatten wir ja schon mit Bräunlich«, sagt sie trocken. »Irgendwie ziehst du das wohl an.«
»Danke sehr!«, brumme ich böse. »Ich nehme die Dinge eben nicht auf die leichte Schulter, so wie du irgendwelche Matzeks oder Igors.«
»Danke ebenfalls«, sagt Paula scharf. »Bitte nimm zur Kenntnis, dass ich deinen Kummer keineswegs auf die leichte Schulter nehme und mir sehr wohl meine Gedanken dazu mache.«
Reumütig schlage ich mit der flachen Hand auf das Kissen neben mir. »Tut mir leid, Paula. Bitte entschuldige, was ich gerade gesagt habe, das habe ich natürlich nicht so gemeint«, sage ich und stehe auf. »Es war ein Höllentag für mich heute. Ich gehe jetzt wohl besser ins Bett.«
Nach einer durchwachten Nacht bin ich am nächsten Morgen die Erste im ansonsten noch leeren Frühstücksraum. Mich hat nichts mehr im Bett gehalten, alleine mit meinen verzweifelten Gedanken. Kraftlos beschmiere ich ein Brötchen mit Butter, während mir eine junge Servierfee mit krausen Locken und großen, dunklen Augen aufmunternd lächelnd ein Kännchen Tee serviert. Wenn die wüsste …
Paula schläft noch. Ich wünschte, sie wäre hier, damit ich mich noch einmal bei ihr entschuldigen könnte. Stress mit ihr ist das Letzte, was ich gerade brauche. Ich bin froh, dass sie hier ist. Sie wird mir schrecklich fehlen, wenn sie nächste Woche abreist.
Wie hypnotisiert gehe ich die Bilder vom gestrigen Abend im Kopfe noch mal durch. Während ich mir Marmelade aufs Brötchen streiche, denke ich nach.
»Hallo, Annika, darf ich?«
Ich zucke zusammen.
Markus steht vor mir. Er hat seine Laptoptasche geschultert und einen eleganten Rollkoffer in frühlingshaftem Schwarz dabei.
»Markus«, sage ich lahm, »Was machst du denn schon so früh hier?«
»Ich reise heute ab und nehme den ersten Flieger um kurz nach acht von Olbia«, sagt er. »Gleich kommt der Fahrer, aber als ich dich hier so sitzen sah, dachte ich, ich sage noch mal Tschüss und trinke vielleicht noch einen schnellen Espresso mit dir.« Er setzt sich zu mir an den Tisch. »Und, wie geht’s?«, fragt er dann.
»Geht so«, sage ich, »anstrengend alles.« Mehr Infos bekommt er nicht.
Er nickt gewollt verständnisvoll und legt dabei die Stirn in Falten. »Du freust dich bestimmt, wenn das alles hier vorbei ist und du wieder nach Hause fahren kannst, hm?«, fragt er gönnerhaft.
Nach Hause, in die Kleinstadtprovinz. Dort, wo eine ganze Stadt gleich GID Company ist, sich dabei zwar international fühlt, aber kleinbürgerlich denkt, überlege ich bitter.
»Ja, ich freue mich«, lüge ich stattdessen.
Bitte keine weiteren Fragen.
Markus nickt zufrieden. »Ist doch schön, Annika«, sagt er. »Das mit der Speditionsrechnung bekommen wir bestimmt auch geregelt, und dann ist alles im Lot.« Er klatscht in die Hände und gibt dem Kellner ein Zeichen, ihm einen Kaffee zu bringen. »Vielleicht«, beginnt er dann ganz unschuldig, »hast du ja Lust, dass wir mal wieder zusammen essen gehen?«
Ich grinse ironisch. »Du meinst im Rossini, so wie früher?«, frage ich und kann den Spott in meiner Stimme nicht unterdrücken, »Dorthin, wo dich der Wirt ›caro mio‹ rufend umarmt und uns einen Amaretto ausgibt?«
Markus rückt unruhig den Zuckerstreuer auf dem Tisch zurecht. »Na ja, es muss nicht im Rossini sein«, weicht er zurück. »Wir könnten auch mal etwas Neues ausprobieren.«
21.
Es vergehen zwei Tage, die ich wie in Trance verbringe.
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