Amore macchiato: Roman (German Edition)
Ich funktioniere wie eine Maschine, lenke mich mit meiner Arbeit ab und tue so, als amüsiere ich mich am Ende der Messetage in der Zeltbar mit einer Gruppe Automobiljournalisten, die keinen anderen Gesprächsstoff kennen als Blech auf vier Rädern, gewürzt mit einer Prise schöner Frauen. Ich finde ihre Unterhaltungen, unterbrochen lediglich durch ein paar Anmachversuche in meine Richtung, derart öde, dass ich mich frage, ob sie mein aufgesetztes Lächeln denn gar nicht entlarven wollen.
Ich fühle mich so platt, dass ich noch nicht einmal aufgeregt bin, als gegen Feierabend mein Telefon klingelt und mein Chef in der Leitung ist.
»Hallo, Herr Bräunlich«, sage ich monoton, während ich auf meinem Schreibtisch ein paar Unterlagen ordentlich stapele und den Rechner runterfahre.
»Frau Herrmann«, zu meiner Verwunderung schreit er zur Begrüßung gar nicht, »es gab ja doch eine von mir freigegebene Vergabeempfehlung von Ihnen für den Speditionseinkauf.«
Er fällt direkt mit der Tür ins Haus, und ich verstehe erst einmal gar nichts. Daher schweige ich und lasse ihn reden.
»In den Akten der Einkaufsabteilung ist ein Formular aufgetaucht, datiert auf Januar, in dem Sie darlegen, warum Sie für dieses Projekt von der Spedition Schleyer abweichen. Ich selbst habe das Papier damals unterzeichnet«, erklärt Herr Bräunlich erstaunlich ruhig.
Stille.
Nein, so ein Formular kenne ich nicht, denke ich.
»Ich dachte, es würde ausreichen«, weiche ich wild fachsimpelnd aus, um Zeit zu gewinnen, »wenn ich mir vom Einkaufssystem die BANF freigeben lasse. Der Prozess dauert schließlich fast immer so lange, bis das jeweilige Projekt so gut wie über die Bühne ist«, erkläre ich weiter. »Die Beschaffungsanfrage haben Sie damals sogar freigegeben …«
Bräunlich atmet tief durch und ringt nach Worten. »Ja, das stimmt, allerdings hätte ich Ihnen die BANF gar nicht erteilen dürfen«, antwortet er. »Da ist mir wohl ein Fehler unterlaufen, bei den vielen Anfragen, die mich tagtäglich erreichen. Sie hätten mich darauf ansprechen müssen, wenn Sie einen Lieferanten aussuchen, mit dem wir sonst nicht zusammenarbeiten, erst recht, wenn er auch noch teurer ist als der bisherige.« Er zündet sich eine Zigarette an, ein Feuerzeug klickt mehrfach. »Nichtsdestotrotz, Frau Herrmann, Sie sind nicht non compliant vorgegangen, wenn Sie eine Vergabeempfehlung dazu eingereicht haben. Der Einkauf hat sie mir allerdings erst jetzt gezeigt. Ich kann mich leider auch nicht mehr daran erinnern, sie unterzeichnet zu haben.«
Mir ist, als hörte ich so etwas wie Unsicherheit und Reue in seinen Worten.
»Hm«, murmele ich, immer noch in Habachtstellung. Worauf will er wohl hinaus?
»Frau Herrmann«, ich höre, wie Bräunlich an der Zigarette zieht und den Rauch in die Luft pustet, »ich muss sagen, mir hat das Event in Sardinien recht gut gefallen. Sie haben da ja doch einiges auf die Beine gestellt, wirklich. Mit Unterstützung der Fireagency natürlich«, fügt er eilig hinzu.
War das womöglich gerade so etwas wie ein Lob?
»Da passieren einem natürlich auch Fehler«, fährt Bräunlich langsam fort. »Die Vergabe des Speditionsauftrags hätte besser ablaufen können, aber wenn wir hier in der Abwicklung Ihre Empfehlung übersehen haben«, er zögert, »dann trifft Sie keine Schuld.«
Ich glaube, ich höre nicht richtig.
»Okay«, stammele ich, »dann weiß ich Bescheid, vielen Dank.«
»Ja, das wollte ich Ihnen kurz sagen«, antwortet mein Chef. »Dafür muss auch mal Zeit sein, bei all dem Stress hier«, laviert er weiter herum. »Die Zeiten bei GID haben sich sehr geändert. Früher war das alles entspannter.« Er gibt so etwas wie ein Lachen von sich. »Seinerzeit waren wir in dieser Abteilung fünfundzwanzig Leute, heute verteilt sich deutlich mehr Arbeit als früher auf ungefähr zehn Köpfe.« Bräunlich raucht weiter.
Oha, der Beschwerdehahn geht auf, interessant.
»Heute hat übrigens Frau Weißensee ihren Abschied gegeben. Das übliche Spiel: Rationalisierung und Arbeitnehmerabbau. Sie wurde völlig überraschend zum Monatsende in den Frühruhestand versetzt.«
Ah, ich verstehe: Bräunlich ist betrunken von Frau Weißensees süßem Abschiedsfusel.
»Also, es ist alles nicht mehr so wie in den guten alten Zeiten«, fügt er altklug hinzu und hüstelt bekümmert.
Ich hingegen bin froh, dass Frau Weißensee weg ist. Von mir aus hätte sie auch überraschend tot umfallen können.
»Aber nun haben Sie ja
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