Amore macchiato: Roman (German Edition)
Gesellen reichen.
Paula steht immer noch vor meinem Schreibtisch.
»Ist sonst noch was?«, frage ich.
»Hm«, brummt sie.
Ich gucke hoch und mustere sie. »Ist der Genitalherpes nicht weggegangen?«, flüstere ich.
»Schlimmer«, stöhnt Paula und wirft sich dramatisch auf einen Stuhl neben meinem Tisch. »Annika, ich bin überfällig.«
Dieses Mal kapiere ich schneller als bei ihrer letzten Hiobsnachricht.
»Shit!«, rufe ich, »Ein Russenbaby zum Andenken an eine schlechte Nacht? Bist du wahnsinnig?«
Paula bleibt still und wirkt verzweifelt.
»Bist du sicher?«, frage ich.
Paula nickt. »Ich habe zwar keinen Test gemacht, aber ich bin nie überfällig, und ich fühle mich so … so komisch .« Jetzt heult sie los.
»Dieser Igor!«, schnaube ich verächtlich.
»Igor«, haucht Paula tonlos.
»Wie hieß der Kerl eigentlich?«
»Igor.«
»Nein, ich will wissen, wie er wirklich heißt.«
»Igor.«
»Ach, tatsächlich?«, wundere ich mich.
»Was ist denn an seinem Namen so wichtig?«, schreit sie mich an.
Ich zucke erschrocken zurück.
Ihre Nerven liegen ohne Zweifel blitzeblank.
»Paula«, ich rolle mit meinem Bürostuhl näher an sie heran und packe sie an beiden Schultern, »du musst einen Test machen.«
»Ich traue mich nicht!«, jault sie elend. »Ich weiß es doch sowieso. Ich könnte die zwei Striche auf dem Stäbchen nicht auch noch ertragen.« Sie weint wieder.
Ich schlucke und ringe nach Argumenten. »Was soll ich bloß mit dir machen?«, frage ich blöd.
»Ach, weiß ich auch nicht«, winkt sie ab und putzt sich geräuschvoll die Nase.
Wir schweigen für einen Moment.
»Und du?«, fragt sie in die Stille hinein, sofern man in einem Festzelt von Stille sprechen kann. »Irgendwelche Andenken von deinem heißen Sarden? Wir beide haben ja seit Tagen nicht mehr in Ruhe gesprochen …« Sie putzt sich erneut die Nase und wartet ab.
»Du«, starte ich in ratlosem Ton, »alles wunderbar. Das dachte ich zumindest. Am Montag war er noch bei mir zu Besuch, aber seitdem«, ich zucke mit den Schultern, »habe ich praktisch nichts mehr von ihm gehört.«
»Wie kommt denn das?«, fragt sie und verzieht den Mund. »Ich hatte nicht den Eindruck, dass das Ganze nur eine kurze Sexaffäre war.«
»Ich auch nicht«, stimme ich ihr zu, »auch wenn ich selbst nicht weiß, wohin die Sache führen soll.«
»Hat er kalte Füße bekommen?«
»Und nimmt daher einfach nicht mehr ab, nachdem er mich am Wochenende sogar der gesamten Verwandtschaft vorgestellt hat?«, erwidere ich. »Das erscheint mir unwahrscheinlich.«
Paula legt den Kopf schief. »Mir nicht«, sagt sie. »Vielleicht mochten sie dich nicht und wollen dich nicht in ihren Familienverband aufnehmen.«
»Paula, bitte!« wehre ich ab, »Das sind doch keine Moslems.«
»Weißt du, wie die Eingeborenen hier ticken? Also ich nicht!«, beharrt Paula. »Sehr religiös sind sie zumindest. Vielleicht ist der schöne Sarde ja auch seit Urzeiten der Nachbarstochter versprochen?«
»Jetzt hör aber auf!«, rufe ich heftiger als gewollt. Mir beginnt, diese Diskussion ernsthaft an die Nieren zu gehen. »So einen Quatsch gibt es hier nicht. Wir sind in Europa.«
Wirklich sicher bin ich mir allerdings nicht. Ich trommele nervös auf der Tischplatte herum.
Paula beugt sich zu mir herüber. »Was ist es dann, Annika?«, fragt sie eindringlich, »Du musst es herausfinden. Vielleicht ist ihm ja auch nur etwas zugestoßen.«
»Ach, nur etwas zugestoßen?«, sage ich zynisch, »Dann geht’s ja.« Ich lege die Hände ineinander und denke nach. »Wir beide machen jetzt den Deal der Wahrheit«, sage ich dann, »du besorgst dir einen Schwangerschaftstest, und ich leihe mir dein Auto und fahre zu Riccardo. Abgemacht?«
Paula seufzt ergeben. »Abgemacht«, sagt sie.
Es ist wie jedes Mal ein langer, langer Weg Richtung Nuoro, und bei jedem Kilometer, den ich fahre, werde ich unruhiger. Warum höre ich nichts von Riccardo? Seit wir uns kennen, senden wir uns mehrmals täglich E-Mails und SMS oder rufen einander einfach nur kurz an, um Hallo zu sagen. Im Event- und Ziegenchaos ist mir die Funkstille gar nicht richtig aufgefallen. Aber Paulas Überlegungen haben wie ein Schlag mit dem Zaunpfahl auf mich gewirkt.
Mit einem flauen Gefühl im Magen verlasse ich die Schnellstraße und nehme die mir inzwischen schon heimisch gewordene Serpentinenstraße nach Nuoro. Ob ich ihn eben noch mal anrufe?
Quatsch, ich bin ja sowieso gleich da.
Es wird alles in Ordnung sein.
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