Amors Glücksfall (German Edition)
immer mit geschlossenen Augen da und weint. Diesmal macht sie sich keine Mühe, die Tränen wegzuwischen.
„Das weißt du doch“, flüstert sie. Ich weiß es natürlich nicht und so sage ich das noch einmal.
„Stella, ich bin nicht Lorenzo.“
Sie reagiert nicht auf meine Worte. Für einen winzigen Moment tut es mir noch mehr leid, sie so enttäuscht zu haben. Jetzt will ich auch nicht mehr mit ihr schlafen. Gefühl über Libido, ganz toll! Danke Lorenzo! Sie tut mir nur noch leid. Und so sitze ich da und starre sie an. Verliebte schwule Männer sind Weicheier. Ich wünschte mir, ich hätte das mit Karim ein bisschen später gemacht. Überhaupt wünsche ich mir, nicht zu wissen, wie es ist, verliebt zu sein. Das achte Paar hin oder her. Ein motivierter Lorenzo hin oder her!
Nach langen Minuten kann ich nicht mehr unterscheiden, welches Gefühl aus Lorenzos Körper entsteht und welches zu mir gehört.
Da hat Stella wieder ihre Augen geöffnet und betrachtet mich. Es kommt mir vor, als erkenne sie mich. Ich bilde mir ein, sie sieht bis auf den Grund meines Inneren, genau dorthin, wo ich seit Wochen eingesperrt bin. Sie glaubt mir nicht und doch bilde ich mir ein, dass da etwas ist, das zu glauben beginnt. Es dauert nämlich gar nicht so lange, bis ihr Gesicht sich meinem nähert. Und dann küsst sie mich. „Wahrscheinlich aus Mitleid“, denke ich, denn erst jetzt bemerke ich, dass auch ich weine.
Am nächsten Morgen wache ich viel zu spät auf. Ich sehe um mich. Die Zeitschrift, in der Stella geblättert hat, liegt auf dem Boden. Das Bett ist bis auf mich selbst völlig leer. Und da Stella nicht da ist, weiß ich nicht, ob sie nicht noch mehr aus Mitleid gemacht hat, als mich zu küssen.
„ Ich habe doch nichts getrunken“, denke ich und kann mich dennoch partout nicht erinnern.
38 Das Glück im Unglück
Und dann tue ich das, was ich tun muss.
Nein, nicht Stella anrufen und mich von ihr krank melden lassen, weil ich befürchte, dass Karim abnimmt und damit Lorenzo hervorlockt. Für diese Version meines Notfallplans müsste ich nämlich, genau: Stella aktivieren. Seit letzter Nacht ist dies allerdings nicht mehr meine beste Idee. Überhaupt wird mir langsam klar, dass nichts, was mit Stella zu tun hat, im Moment meine beste Idee ist. Außer vielleicht: ihr aus dem Weg zu gehen. Also mache ich das, was ein Mann in meiner Situation unvermeidlich selbst machen muss. Ich schreibe eine SMS an Mia. Melde mich krank. Schiebe alles auf einen Magen-Darm-Parasiten. Was nicht einer gewissen Ironie entbehrt, weil es ja irgendwie nicht ganz unrichtig ist.
Als das erledigt ist, beschließe ich, dass es Zeit wird, in alte Muster zu fallen. Hat früher ja auch funktioniert. Ganz früher, meine ich, als das mit Frauen noch eine Sache war, bei der mir Joggen am nächsten Tag einen freien Kopf verschaffte. Klingt kompliziert, ist es aber im Grunde gar nicht. Doch da ich jetzt eher gehe als jogge – ich gehe Joggen in seiner reinen Bedeutung quasi, habe ich Zeit, über die Kompliziertheit der ganzen Sache zu philosophieren. Was schlimm genug ist, weil der Sinn des Joggens damit völlig dahin ist.
Dazu kommt noch, dass ich bei meiner Blaumacher-Krankmeldung eine Sache total unterschätze. Frauen reden. Ständig. Frauen teilen sich mit . Und Mia ist eine Frau, die keine Ausnahme darstellt. Mein Handy bimmelt. Beinahe gehe ich hin, ohne nachzusehen, wer es ist. „Beinahe“ heißt: In letzter Sekunde lese ich Karims Namen im Display und lasse es durchklingeln. Ich wette, dass er wissen will, ob er mich pflegen kommen soll. Oder er redet von Schmetterlingen, die auch in seinem Magen Chaos anrichten. Ich lösche die Mailboxnachricht, ohne sie abzuhören und steuere wieder Lorenzos Wohnung an.
Blöd, dass mich dort schon das nächste Problem erwartet. Wie gesagt: Frauen reden und Mia ist eine Frau, die keine Ausnahme ist.
„Hey.“
Mein Shirt ist durchgeschwitzt vom Treppensteigen und von der Erkenntnis, dass ich mich auf der falschen Seite der Tür befinde. Ich kann nicht so tun, als sei ich nicht da. Anders könnte ich mich damit rausreden, dass ich beim Arzt war. Aber nein, ich muss Joggen gehen! Und ihr dann in die Arme laufen.
„Hallo Stella“, sage ich keuchend, lasse meinen Oberkörper nach vorne fallen, stütze die Arme auf die angewinkelten Beine und starre sie an. „Ich wollte dich gleich anrufen“, lüge ich. „Komm doch rein.“ Sie mustert mich.
„Ich dachte, du hast
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