Amors Glücksfall (German Edition)
wie ich ihn ganz schnell wieder los bin. Wofür bin ich denn sonst schwul? Ich grinse zurück und gehe auf ihn zu.
„Sehr angenehm“, sage ich, reiche ihm die Hand und hoffe, dass meine Stimme hoch genug ist, um ihm Angst einzujagen. Erst jetzt bemerke ich eine Narbe seitlich über seiner Oberlippe, die fast unmerklich zu zucken beginnt. Sonst aber scheint ihn meine Charmeoffensive nicht zu beeindrucken. „Willst du gleich mitkommen?“, piepse ich weiter.
„Ihr könnt erst mal hier bleiben und die theoretischen Sachen klären.“ „Schon klar, sie wollen alle in Ruhe weiterarbeiten!“, denke ich, atme die gute Luft ein und grinse unsichtbar.
„Gut“, sage ich , weil ich außerdem keine Lust habe, meine Arbeitsmethoden zu diskutieren und setzte mich an den Besprechungstisch, ebenso Mahagoni, wo mein Schützling bereits eine kleine Mappe aufgeschlagen hat, um mitzuschreiben. Ein letzter prüfender Blick von mir geht zu den anderen. „Was ist noch?“, soll mein Blick eigentlich signalisieren, doch keiner der beiden scheint ihn so zu deuten. Bei mir selbst funktioniert er einwandfrei, bei Mark, meine ich. „Lorenzo scheint in diesem Büro niemand wirklich ernst zu nehmen“, stelle ich jetzt fest. „Also?“, frage ich Karim, nachdem mein selbsternannter Ersatzchef und die schwangere Gurke irgendwann endlich doch an ihre Arbeit gegangen sind und uns allein gelassen haben. „Was weißt du über uns?“ Da ich im Vorfeld selbst mit ihm telefoniert und dabei den Eindruck gewonnen habe, dass er sehr interessiert ist, hoffe ich jetzt, dass es mir eine Menge Arbeit ersparen wird, weil er sich vorbereitet hat.
„Ihr seid so eine Art Mittelding zwischen einem Sozialnetzwerk wie Lokalisten oder Facebook und einer Singleplattform wie es Friendscout , Parship oder nomoresingle sind“, antwortet er. Seine Oberlippe zuckt beim Sprechen, was mich ein wenig irritiert. Ich nicke und sage allerdings sonst kein Wort. Dass Karim ausgerechnet nomoresingle erwähnt, lässt mich hoffen, dass er sich wirklich informiert hat. Zudem hat er Recht. Munichlive ist wirklich eine Art Hybrid aus genau diesen zwei Bereichen und richtet sich, genau wie nomoresingle, ausschließlich an den Münchner Markt. Uns mit den Großen zu vergleichen, hat wenig Sinn, weil wir uns auf ein Nischengeschäft konzentrieren, worin wir allerdings erfolgreicher sind als die anderen.
„Die Idee des Ganzen ist, möglichst v iele Menschen zusammenzubringen“, sagt Karim. „Schon, aber das wollen alle“, denke ich und frage mich, ob ich mich nicht zu früh gefreut habe. Vorbereitung geht anders. Karim stoppt, blättert in seinen Aufzeichnungen. „Ihr lasst die Menschen so oft es geht miteinander ins Gespräch kommen.“ Aha, toll. Das hat er irgendwo abgeschrieben. Seine Stimme klingt seltsam belegt. Ein bisschen so, als wäre er erkältet. Ist mir zuvor gar nicht aufgefallen. Vielleicht sollte ich ihn besser zum Auskurieren nach Hause schicken? Für drei, vier Wochen oder so.
„Kennst du das Café Lottchen ?“, schwenke ich um, statt weiter darauf zu spekulieren, dass er verschwindet. Sein letzter Satz ist mir zu einstudiert. Seine Oberlippe zuckt noch immer, obwohl er nicht weiterredet. „Wir veranstalten dort einmal im Monat eine kleine Party, die mittlerweile stadtbekannt ist.“ Ich wundere mich, dass Karim das nicht selbst herausgefunden hat. Überhaupt frage ich mich, ob ihm wenigstens klar geworden ist, dass eigentlich nur nomoresingle Konkurrenz für uns darstellt. Wenn überhaupt. Nach einer Weile erinnere ich mich, dass ich ihm die Daten eines Testprofils zugeschickt habe, damit er sich in die Idee von Munichlive hineindenken kann.
„Hast du dich testweise eingeloggt?“, frage ich. Er nickt. „Und?“ Einen Moment lang scheint er zu überlegen.
„Der Fragebogen am Anfang hat mich an Parship erinnert.“
„Okay“, murmle ich. Er war also schon mal bei Parship angemeldet. „Und, ist es schlecht?“ Er schmunzelt.
„Nö, das nicht. I st halt auch so ein Psychokram“, sagt er. „‚Psychokram?‘ Aus dem Mund eines Psychologiestudenten klingt dieses Wort irgendwie seltsam“, denke ich.
„Dass ihr das aber so machen müsst, ist mir schon klar“, lenkt er ein. Ich lache auf. „Ich werde nur ungern in Schubladen gesteckt“, setzt er nach. Seine Augen fixieren mich. Offensichtlich fragt er sich, ob es okay ist, dass er so offen Kritik übt. Ob er wohl auch so ehrlich wäre, wenn er wüsste, wer wirklich vor ihm
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