Amors Glücksfall (German Edition)
sitzt?
„Ich auch nicht“, antworte ich. Karims Gesicht entspannt sich. „Um das zu verhindern, stellen wir ja weiterhin Fragen. Nur nicht mehr so explizit wie am Anfang“ , sage ich. Meine Gedanken gleiten zu den Onlinespielen, in denen uns diese Konsistenzprüfung am besten gelingt. Gleichzeitig überlege ich, wie ich Karim erklären soll, dass es bei uns sowohl interne, als auch externe Profile gibt. Sein Job ist nämlich genau der, dafür zu sorgen, dass der laufende Abgleich zwischen den beiden Profilen funktioniert. Er wird wie der Rest des Teams ab sofort Heinzelmännchen spielen und umso erfolgreicher sein, je unsichtbarer er bleibt. Ich denke an das Plakat im Aufenthaltsraum, auf dem jeder einzelne Kundenbetreuer mit seinem eigenen Alter Ego zu sehen ist. Lorenzos dicker Amor fällt mir als erstes ein, danach die Teufelsmädchen von Mia und Ruth, die so unterschiedlich sind, dass man sie gar nicht verwechseln kann.
„Ich bin schon gespannt, ob du das Teufelchen oder das Engelchen wirst“, murmle ich.
„Was meinst du?“ Karim sieht auf und mustert mich. Ich versuche geheimnisvoll zu gucken, keine Ahnung, ob es mir gelingt.
„Wir betreiben noch ein drittes Forum“, flüstere ich.
„Wie, ein drittes Forum?“ Er hat nicht den blassesten Schimmer, wovon ich rede.
„ Onlinespiele“, antworte ich. „Wir unterscheiden uns von den anderen auch dadurch, dass wir ein Spielforum betreiben, in dem sich die Kunden noch besser kennenlernen können.“ Karim fixiert mich.
„Kann ich mir aussuchen, wer ich bin?“, fragt er , statt auf die Spiele einzugehen, bei denen ich gerade bin. Seine Stimme ist noch belegter als noch eben.
„Wie meinst du das?“ Ich glaube, der hat mich falsch verstanden.
„Na Engelchen oder ...“ Sein Gesichtsausdruck verwandelt sich und spricht plötzlich Bände. Und als er mir zuzwinkert, fällt mir ein, dass er bisher nicht ein einziges Mal gehustet hat. Seine Stimme ist eher nasal als belegt. Innerhalb weniger Augenblicke begreife ich, dass meine Idee mit dem „Karim vom Hals schaffen“ nach hinten los gegangen ist. Flirtet er gerade mit mir? Ich beginne zu ahnen, dass der Typ an mir, also an Lorenzo, interessiert ist. Dabei liegen zwischen den beiden Welten. Was will Karim bitte von so einem wie Amor? Ich starre ihn an. Dass mir das nicht sofort aufgefallen ist! Jetzt, wo ich ihn mir näher ansehe: „Ja, er könnte wirklich schwul sein.“
Komisch. Anders als bei der Sache mit den Zigaretten, empfindet Lorenzos Körper bei diesem Gedanken absolut nichts. Weder Abscheu meinerseits noch Interesse des schwulen Amors empfinde ich gerade. Na super: Jetzt fehlt mir nur noch eine verliebte männliche Aushilfe!
„Nix Engelchen!“, sage ich mit einer um etwa eine Oktave tieferen Stimme, als noch zuvor. „Vergiss es!“ Ich sehe Verlegenheit in Karims Gesicht auftauchen. Seine Oberlippe zittert schon wieder.
„Du bist nicht ...“ Ich schaue entsetzt und schüttle den Kopf. „Ich dachte nur“, sagt er entschuldigend. Es scheint ihm furchtbar peinlich zu sein. Und für einen Moment empfinde ich Mitleid, das ich in einer solchen Situation nie empfunden hätte.
„Schon gut“, sage ich , statt sauer zu werden und wundere mich selbst über meine Gelassenheit. „Das denken die meisten.“ Ich lächle ihm aufmunternd zu. Verdammt, wieso nutze ich jetzt nicht die Gelegenheit, ihn aus der Firma zu werfen? Er hat mich angemacht! Ich überlege. Lorenzo ist schwul, so ist es nun mal. Meine Kollegen werden denken, dass ich spinne. Dass ich mich wie ein hysterisches Weib aufführe, anstatt mich über einen gutaussehenden Verehrer zu freuen. Dass Karim gutaussehend ist, ist nämlich nicht von der Hand zu weisen. Wieder frage ich mich, was er an Lorenzo gefunden hat. Und um davon abzulenken, lehne ich mich in den Stuhl zurück und beschließe das Gespräch in eine weniger peinliche Richtung zu lenken.
„ Kennst du Gay-Romeo ?“, unterbricht er mich. Gay was? Das gibt‘s doch nicht: Er versucht es tatsächlich weiter!
„Neeein“, fahr e ich ihn an. Diesmal begreift er schnell und wechselt selbst das Thema.
„ Spiele?“, fragt er plötzlich ganz unschuldig. Sein Umschwenken lässt mich hoffen, dass er nun doch endlich begriffen hat, dass er bei mir nicht landen kann.
„Darf ich?“ Ich greife an ihm vorbei zu meinem Computer und schalte ihn an. Gut, dass Karim nicht weiß, dass ich meine eigene Daten benutze, um mich anzumelden. Innerhalb weniger Minuten startet das
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