Amors Glücksfall (German Edition)
mit diesem alten Kauz offensichtlich verkuppelt habe. Ich erinnere mich daran, dass er sie erst vor ein paar Tagen vom Büro abgeholt und wie er mir dabei zugewinkt hat. Jetzt verstehe ich auch, weshalb mich Mia nach Hause geschickt hatte. Sie dachte, ich koche für ihren Freund!
„Nicht heute“, lacht der Jüngste, mein erster Besucher, der noch immer ein ziemliches Tempo beim Sprechen an den Tag legt, zieht seinen Pullover über den Kopf aus und lehnt sich an das Sofakissen hinter sich. Seinen Namen erfahre ich nicht. Alle nennen ihn nur Jü. „Jü wie der Jüngste“, denke ich und erfahre bald, dass er der Bruder von Wolfi ist. Richtig, sie ähneln sich. Beide blond, die gleichen graublauen Augen. Nur dass Wolfgang deutlich mehr Ruhe ausstrahlt und mir schon bald weniger unsympathisch ist, als ich es bei unserer ersten Begegnung gedacht habe. Meine Anspannung beginnt sich zu lösen und so sehe ich interessierter in der Runde herum. Dass keiner der Männer auf mich so wirkt, als wäre er an mir interessiert, ist etwas, was mich fast so sehr irritiert, wie der Flirtversuch von Karim oder der Moment, in dem ich in Lorenzos Kleiderschrank normale Klamotten fand. „Ein fremdes Leben ist wie ein dunkler Wald“, denke ich und muss zugeben, dass ich mich völlig verlaufen habe.
„Ich habe nichts eingekauft“, gestehe ich , als Wolfgang mich abermals fragt, wieso ich herumsitze, anstatt auf Koch zu machen. Dass ich kein Geld dafür habe, behalte ich für mich. Man kann ja nie wissen. Ich warte darauf, dass sich jemand aufregt oder wenigstens eine blöde Bemerkung macht. Würde mich ja nicht wundern. Ich selbst hasse Unzuverlässigkeit, so könnte ich es nur zu gut verstehen, wenn es die anderen ebenso scheiße fänden. Aber nichts dergleichen geschieht. Keiner hakt nach oder lässt mich spüren, dass er sich ärgert. Es handelt sich offensichtlich wirklich um Freunde. Es dauert nicht lange, bis der Erste einen Vorschlag macht.
„Dann lass t uns doch was bestellen. Wer ist für Pizza?“, fragt Wolfgang. Er ist nicht nur der älteste, er scheint hier auch den Jan zu spielen. Jan, das Adlerauge. Wolfgang, der Leitwolf. Ich grinse. Die anderen Vier grölen durcheinander. Auch gut! Ich bin für alles, Hauptsache, ich darf hier sitzen bleiben und muss nichts tun. Ich greife zu meiner Flasche und trinke etwas.
„Meeresfrüchte oder Diabolo?“, fragt Wolfi wie selbstverständlich in meine Richtung. Er kennt offensichtlich sogar meinen Geschmack. Gehört sich wohl so für Freunde. Dass sie den Geschmack des anderen kennen, meine ich. Schlecht nur, dass dies hier überhaupt nicht mein Geschmack ist.
„Ich probiere heute was anderes“, sage ich ents chlossen. Ich will mich auf keinen Fall auf eine Essensdiskussion einlassen. Wenn wir schon etwas bestellen, dann wenigstens auch was ich mag.
„Was ist jetzt mit diesem Karim?“, fragt Wolfgang beiläufig. Oh ne, nicht auch noch der! Ich weiß sofort, woher der Wind weht.
„Sag Mia einen schönen Gruß“, lache ich, auch wenn mir gerade gar nicht nach Lachen ist. Mir fällt ein, dass sich in meiner Brieftasche nur dreißig Euro befinden. Und ich weiß nicht, ob es in den nächsten Tagen nicht einen Notfall gibt, bei dem ich dieses Geld besser werde gebrauchen können, als bei einer Pizza heute. Zudem habe ich schon Nudeln gegessen, ich brauche also nicht unbedingt eine Pizza.
In dem Moment, als ich den Gedanken zu Ende geführt habe, fällt mir auf, dass er nicht stimmt. Ich habe Lust auf Pizza. Punkt. Die Notnudeln waren nur Füllmaterial! Der Mark in mir ist wie eine schwangere Frau , die unter eigenwilligem Verlangen leidet. Und ich beschließe diesem Verlangen hier nachzugeben. Also Pizza! Wolfi mit Handy am Ohr schreit uns an, dass wir uns langsam entscheiden sollten. Ich habe keine Karte zur Hand. Es scheint, als bestellten sie in diesem Laden öfter, weil die anderen die ganzen Pizzanamen auswendig können. „Vielleicht kocht Lorenzo ja doch nicht so oft“, überlege ich und gebe meinen Wunsch auf Verdacht ab.
„Rucola und Schinken?“, fragt mich Jü entsetzt, als er meine Bestellung hört.
„Ja, mit viel Parmesan!“ I ch will jetzt diese verdammte Pizza! Auf Meeresfrüchte bin ich allergisch und ich baue jetzt einfach darauf, dass Lorenzo alle Zutaten meiner Lieblingspizza verträgt. Die Erinnerung an den Hustenanfall nach meinem Rauchversuch trübt mir kurz die Sinne, dann schreie ich „Rucola und Schinken!“ in Wolfgangs Richtung und warte,
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